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Sicherheit der Stauseen Welche Zukunft haben die Wasserkraftwerke in den Alpen?

Nach dem Bergsturz in Blatten ist klar: Instabile Berghänge, schmelzende Gletscher und drohende Hochwasser – damit sind die Betreiber der Wasserkraftwerke in den Alpen konfrontiert. Und das Wassermanagement in den Stauseen wird komplizierter.

Das Wallis ist beim Strom aus alpinen Wasserkraftwerken die Nummer eins in der Schweiz. Elegante Bogenstaumauern oder die höchste Gewichtsstaumauer der Welt, der 285 Meter hohe Damm der Grande Dixence, speichern Wasser in grossen Stauseen; beim Pumpspeicherwerk Nant de Drance wird nicht nur Strom erzeugt, sondern auch Wasser vom unteren ins obere Staubecken hinaufgepumpt – ein riesiger Speicher für überschüssigen Strom, eine hochalpine Grossbatterie.

Luftaufnahme eines Staudamms in den Alpen mit schneebedeckten Bergen im Hintergrund.
Legende: Die Staumauer Grande Dixence – die höchste Gewichtsstaumauer der Welt Keystone / ALESSANDRO DELLA BELLA

Der Stausee Ferden im Lötschental gehört mit seiner 67 Meter hohen Bogenstaumauer zu den mittelgrossen Anlagen im Wallis. Als sich die Lage bei Blatten zuspitzte, musste man reagieren, wie Martin Gattlen vom Kraftwerksbetreiber Enalpin erklärt: «Wir haben Wasser abgelassen, um eine allfällige Flutwelle auffangen zu können. Und das Wasser des Talflusses Lonza führt nun sehr viel Schutt, Schwemmholz und Sedimente in den Stausee, sodass wir das Wasser nicht für die Stromproduktion nutzen können.»

Die Sicherheit der Staumauer sei aber nie zur Debatte gestanden, betont Gattlen gegenüber Radio SRF. «Die ist stabil in gutem Fels gebaut.»

Die Überwachung der Naturrisiken ist eine Konstante, die war vor Blatten da und die wird auch nach Blatten bleiben.
Autor: Amédée Murisier Stromkonzern Alpiq

Dasselbe betont auch Amédée Murisier vom Stromkonzern Alpiq, der im Wallis sechs grosse Speicherkraftwerke betreibt: «Wir müssen nach den Ereignissen in Blatten nicht über die Bücher gehen. Die Überwachung der Naturrisiken ist eine Konstante, die war vor Blatten da und die wird auch nach Blatten bleiben.»

Nicht nur würden die Staumauern regelmässig überprüft und vermessen, sondern auch die Hänge oberhalb, erklärt Murisier, der bei Alpiq für die Produktion der Schweizer Kraftwerke zuständig ist, und erwähnt als Beispiel den Stausee Gibidum, ein paar Täler weiter, unterhalb des Aletschgletschers: «Dort gibt es einen Hang, der sich vor einigen Jahren leicht bewegte, unterhalb der Moosfluh. Dank der Überwachung konnten wir dies feststellen und entsprechende Vorkehrungen treffen.» Zurzeit sei der Hang aber wieder stabil.

Wenn Felsen wanken, schützen Stauseen

Talsperren und Stauseen könnten in Zukunft noch wichtiger werden, ergänzt Robert Boes, Professor für Wasserbau an der ETH Zürich: Bei drohenden Bergstürzen oder auch bei starken Niederschlägen könnten Stauseen die tiefergelegenen Gebiete schützen. «Wir haben letzten Sommer gesehen, dass der Stausee von Mattmark oberhalb von Saas-Grund 11 Millionen Kubikmeter Wasser zurückhalten konnte. So kam es im Tal der Saaser Vispa nur zu kleineren Überschwemmungen, während im benachbarten Tal, wo es keinen Stausee gibt, bei Zermatt grosse Hochwasserschäden auftraten.»

Und schliesslich könnten die Stauseen künftig auch als Wasserreservoirs für die Bewässerungen dienen, betont Boes. Denn wenn wegen des Klimawandels die Gletscher schmelzen, verringern sich auch die Abflussmengen der alpinen Bäche und Flüsse.

Stromproduktion, Hochwasserschutz, Bewässerung – all diese Ansprüche unter einen Hut zu bekommen, das wird eine grosse Herausforderung für die nächsten Jahre sein, für die Kraftwerksbetreiber und für die ganze Gesellschaft.

Rendez-vous, 12.6.2025, 12:30 Uhr; stal; wilh

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