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Slowflower-Bewegung Wo keine Pfingstrose jemals Gift sieht

Von der Streifenpolizistin zur Slowflower-Aktivistin: Zu Besuch im natürlich-schönen Garten von Maja Bartholet.

Maja Bartholets Blumen-Paradies liegt mitten in Zürich-Seebach. Auf einem Stück Land, umgeben von Häusern, wachsen über 50 Blumensorten. Wild und giftfrei. Auch Raritäten, wie das rosafarbene Maiglöckchen, sind darunter.

«Eine so seltene Sorte, das finde ich immer grossartig», freut sich Maja Bartholet. Als Streifenpolizistin führte sie mitunter schwierige Gespräche mit Verkehrssündern. Heute spricht sie manchmal mit ihren Blumen. Zur sogenannten Slowflower-Bewegung fand sie vor einigen Jahren durch Zufall.

Maja Bartholet in ihrem Garten
Legende: Zuerst ein Online-Kurs, dann Workshops, «1000 Bücher» und Learning-by-Doing: So erarbeitete sich Maja Bartholet ihr Blumen-Wissen. Stephanie Wittmer

«Als ich einmal im Herbst Blumen für mich kaufen wollte, fand ich nichts.» Das Angebot aus gezüchteten Blumen in den immergleichen, fantasielosen Arrangements, überzeugte sie nicht. Gleichzeitig stiess sie auf Instagram auf eine Vertreterin der Slowflower-Szene in den USA. «Dieser Reichtum an Farben, die Saisonalität, das faszinierte mich.»

Wie funktioniert die Slowflower-Bewegung?

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Bei der Slowflower-Bewegung stehen Natur und Umwelt im Vordergrund. Die Blumen kommen ohne Dünger und Pestizide aus, sie stammen aus der Region und die verschiedenen Sorten sind nur saisonal erhältlich. Anfangs Januar gibt es also beispielsweise keine Tulpen. Die Mitglieder der Bewegung setzen auf alte Sorten und einen nachhaltigen Anbau im Rhythmus der Natur.

Maja Bartholet buchte einen Onlinekurs, ackerte sich durch «gefühlt 1000 Bücher». Sie vernetzte sich mit Gleichgesinnten. Vieles lernte sie durchs Ausprobieren. Vor sechs Jahren gründete sie ihr Unternehmen «Fleuraissance». Heute bietet sie von März bis Oktober Blumen aus ihrem Garten an. Ein Renner sind zum Beispiel ihre Zinien.

Maja Bartholet bei der Zinien-Ernte
Legende: Zinien züchtet Maja Bartholet in verschiedenen Farben. Sie wachsen vor allem im Hochsommer. Stephanie Wittmer

Wegen des regnerischen Wetters ist der Garten im Mai noch nicht so bunt wie sonst. Tulpen und Narzissen sind verblüht, in einem Beet wachsen violette Glockenblumen, grüner Gewürzfenchel und dunkelrote Pfingstrosen. Keine ihrer Blumen hat je etwas anderes gesehen als Kompost, Hornspäne oder Schafwollpellets.

Ich möchte, dass meine Tochter die Welt als genauso lebenswert empfindet, wie wir.
Autor: Maja Bartholet Slowflower-Aktivistin

Das funktioniere, sagt Maja Bartholet. «Ich glaube fest daran, wenn der Boden leben kann, dann leben auch die Pflanzen darin.» Heisst aber auch: Sie muss Ausfälle verkraften. Mal hat es viele Wanzen in ihrem Garten, mal mehr Schnecken. «Einen Totalausfall hatte ich aber noch nie.»

Blumenstrauss
Legende: In Maja Bartholets Frühlingssträussen finden sich keine roten Rosen. Es sind natürliche Sträusse mit saisonalen Blumen: Aktuell zum Beispiel Pfingstrosen oder Hyazinthen. Maja Bartholet

Eine intakte Natur ist ihr sehr viel wichtiger als der schnelle Erfolg. Auch im Hinblick auf ihre dreijährige Tochter. «Ich möchte, dass meine Tochter in einer Welt aufwachsen kann, die sie noch als genauso lebenswert empfindet, wie wir das machen.» Dafür will sie ihr Bestes geben.

Branche und Konsumentinnen sollen umdenken

Heute kommen die meisten Schnittblumen in der Schweiz von weither. 80 Prozent stammen aus Ländern wie Kenia, Kolumbien oder Ecuador. Sie werden in Farmen gezogen, unter Einsatz von Dünger und Pestiziden. Die Arbeitsbedingungen der Angestellten sind häufig miserabel, die Löhne schlecht. Die Preise hierzulande, kritisiert Maja Bartholet, seien viel zu tief. «Eigentlich sind Blumen ein Luxusgut. Hier haben wir den Eindruck, wir können sie uns jeden Tag leisten.»

Bartholet fände ein Umdenken wünschenswert. In der Branche, aber auch bei den Konsumentinnen und Konsumenten. Ihr nachhaltiges Konzept hat auch für sie selbst Konsequenzen. Im Winter gibt es bei ihr keine frischen Sträusse, allein von ihrem Floristinnenjob kann sie deshalb nicht leben. Sie arbeitet zusätzlich in der Kommunikation. Maja Bartholet würde sich wünschen, dass sich das Slowflower-Virus noch weiter verbreitet. «Ich hoffe, dass es wie ein Steinchen im Wasser immer weitere Kreise zieht.»

Regionaljournal Zürich Schaffhausen, 16.05.2023, 12.03 Uhr ; 

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