Die 35-jährige Walliserin ist nach über zwei Jahrzehnten im Profi-Snowboard zurückgetreten. Ein Monat nach dem letzten Rennen hat Patrizia Kummer in ihrem Café in Mühlebach (VS) ein Abschlussfest gefeiert. Die Profi-Snowboarderin spricht zum Karriereende offen über Erfolg, Misserfolg und wie die Krebserkrankung ihres Vaters sie mehr beeinflusste, als sie sich eingestehen wollte.
SRF News: Das Karriereende ist definitiv da. Wie geht es Ihnen dabei?
Patrizia Kummer: Für mich ist es wie ein Buch, das zugegangen ist, ich kann jederzeit darin blättern. Irgendwann habe ich gemerkt: Jetzt ist gut, ich habe alles erlebt, was mich als Mensch weiterbringt. Es reicht.
Dass es jetzt reicht, haben Sie sich bereits vor zwei Jahren gesagt. Die WM in Georgien war Ihr grosser Schlusspunkt. Den WM-Titel haben Sie aber nicht geholt – der einzige Titel, der Ihnen fehlt.
Ja genau (lacht). Ich dachte: Egal ob Medaille oder nicht, wenn es wenigstens eine schöne WM gewesen wäre. Aber die Piste und das Wetter waren nicht gut, ich konnte es einfach nicht geniessen. Das ist schade, wenn du zwei Jahre darauf hinarbeitest.
Ich bin eine All-in-Persönlichkeit, wenn ich mich für etwas entscheide, gebe ich alles.
Jetzt ist es so: Ich habe drei WM-Medaillen geholt, nur keine goldene. Aber die Welt dreht sich trotzdem weiter. Andere müssen schauen, dass sie genügend zu essen haben.
Sie haben einmal gesagt, dass es Ihnen bereits als Kind egal gewesen sei, was andere über Sie denken?
Meine Eltern haben mich immer bestärkt, dass man mit sich selbst im Reinen sein soll. Einen Punkt gab es jedoch: Als Kind habe ich es gehasst, mit dem Velohelm durch das Nachbardorf zu fahren.
Weil es nicht gut ausgesehen hat?
Ja (lacht). Immer nach dem Nachbardorf habe ich ihn angezogen, da war es mir nicht egal. Aber grundsätzlich bin ich mit mir zufrieden und weiss, dass ich immer mein Bestes gebe. Ich bin eine All-in-Persönlichkeit, wenn ich mich für etwas entscheide, gebe ich alles.
Olympiasiegerin, Vize-Weltweltmeisterin, Gesamtweltcupsiegerin
Diese klaren Zielsetzungen waren nicht für alle immer einfach – beispielsweise für Ihre Trainer nicht?
Da bin ich eine starke, direkte Frau. Bei gewissen Männern kam ich an den Anschlag. Aber ich mache so viel nebenbei: Ich studiere, habe ein Café, baue ein Haus um. Ich habe keine Zeit, alle selbstwertschonend zu fragen, ob es eventuell, vielleicht, wenn es gehe, möglich wäre. Ich meine das nicht böse, aber da bin ich teilweise mit anderen Leuten aneinander geprallt.
Was Sie mehrere Jahre begleitet hat, war die Krebserkrankung Ihres Vaters, der Sie zuvor oft an Rennen begleitete, mit dem Sie auch das Café führen. Wie sind Sie durch diese Zeit gekommen?
Zu Beginn dachte ich: Das macht mir nichts. Ich war so überzeugt, dass er das überleben wird. Dann hatte ich eine richtig schlechte Saison, ich hatte die ganze Zeit Mühe. Letzten Sommer war er wirklich kurz vor dem Sterben. Und erst jetzt, fünf Jahre später, hat eine Therapie angeschlagen und ich sah: Der Papa aus meiner Kindheit ist zurück. Erst da habe ich gemerkt, welche Anspannung sich in mir löste. So cool, wie ich meinte, war ich gar nicht.
Sie sagten zuvor jeweils, das habe keinen Einfluss auf Ihre Leistung.
Genau, ich sei selber schlecht, ich gebe nicht dem Papa die Schuld. Das mache ich auch jetzt nicht, aber er begleitete mich halt sehr viel und fehlte. Er hat aber eine gute Einstellung zum Tod. Er kämpfte, wollte leben, hätte es aber auch akzeptiert, wenn es nicht so gewesen wäre. Das war sehr inspirierend.
Das Gespräch führte Marielle Gygax.