Die Sonne strahlt, das Wasser lockt – und auf der Brücke in Diessenhofen TG wird gezählt. Drei, zwei, eins – Sprung! Silas und seine Freunde springen vom Geländer der rund sechs Meter hohen Brücke in den Rhein. Ihnen ist auch bewusst, dass der Sprung von der Brücke gefährlich sein kann. «Meine Freunde schauen, dass keine Schiffe kommen, dann springe ich», sagt Silas. Er absolviert solche Sprünge seit Längerem.
Nicht alle stehen dem Spektakel entspannt gegenüber. Zwei Passantinnen schauen besorgt zu: «Hoffentlich passiert nichts. Generell ist es schon sehr gefährlich. Sie müssen aufpassen, dass sie nicht in ein Boot oder auf den Kopf von jemandem springen.»
Die jungen Springer ziehen auch ältere Badegäste in ihren Bann. Ein Mann lässt sich von der Stimmung an der Brücke mitreissen. «Wo die Jungen springen, muss ich auch», sagt er, kurz bevor er in den Rhein springt. Und fügt an: «Als Kind hatte ich immer Angst. Aber jetzt, kurz vor dem Ableben, kann man ja gehen.»
Zwei Todesfälle in den letzten 15 Jahren
Währenddessen treiben unter der Brücke in Diessenhofen Stand-up-Paddler, Gummiboote und Schwimmer – genau dort lauert die Gefahr. Laut der Schweizerischen Lebensrettungs-Gesellschaft (SLRG) gab es in den letzten 15 Jahren zwei tödliche Unfälle durch Sprünge auf Personen im Wasser, die jedoch beide in einer Badi passiert sind. Zuletzt starb in La Chaux-de-Fonds NE ein 67-jähriger Mann, nachdem ihn ein Kind bei einem Sprung vom Fünf-Meter-Brett getroffen hatte.
Es gibt immer wieder Beinahe-Unfälle.
Aber auch an Flüssen komme es zu brenzligen Situationen. Christoph Mark, Mediensprecher der SLRG, sagt: «Es gibt immer wieder Beinahe-Unfälle.» In Basel sei kürzlich jemand von einer Brücke gesprungen und habe eine Person im Wasser nur um Millimeter verfehlt.
Zudem drohen bei zu geringer Tiefe oder einer Kollision mit Schwemmholz schwere Verletzungen. Die SLRG rät deshalb dringend, auf Brückensprünge zu verzichten. Nur im Notfall sei ein Sprung – mit angewinkelten Beinen und den Füssen voran – vertretbar.
Verbot in Basel-Stadt zeigt Wirkung
Einige Kilometer rheinabwärts, in Basel-Stadt, ist das Springen von Brücken seit Jahren verboten. Wer es trotzdem tut, riskiert eine Ordnungsbusse von 150 Franken. «Das Risiko ist sowohl für andere Schwimmer als auch für die Springenden selbst hoch», begründet Rooven Brucker, Mediensprecher des Justiz- und Sicherheitsdepartements, das Verbot.
Gefährlich sei es, weil einerseits das Wasser nicht überall genügend tief sei, andererseits aber auch der Temperaturunterschied «gefährliche Folgen» haben könne.
Die Baslerinnen und Basler scheinen sich an das Verbot zu halten: Bussen werden nur selten ausgesprochen, «da sich die überwiegende Mehrheit der Rheinschwimmerinnen und Rheinschwimmer an das bestehende Verbot hält», erklärt Brucker.
Es ist eine Tradition, dass hier gesprungen wird, und wir wollen nicht unbedingt eine Verbotskultur fördern.
Zurück nach Diessenhofen. Dort verzichtet man trotz Gefahren bewusst auf ein Verbot, sagt Stadtpräsident Markus Birk: «Es ist eine Tradition, dass hier gesprungen wird, und wir wollen nicht unbedingt eine Verbotskultur fördern. Wir wollen das möglich sein lassen, was möglich sein kann.» Er selbst sei übrigens auch schon gesprungen.