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Sozialhilfe im Asylwesen Studie zu Geflüchteten: mehr Geld – weniger Kriminalität

Höhere Sozialleistungen für Geflüchtete führen zu weniger Kriminalität. Das zeigt eine Studie, die noch nicht veröffentlicht wurde.

Die Diskussion über die Höhe der Sozialleistungen für Geflüchtete ist seit dem Beginn des Ukraine-Krieges erneut entflammt. Die kantonal unterschiedliche Höhe der Unterstützung sorgt immer wieder für Kritik. Bisher war auch nicht klar, welche Folgen eine höhere oder niedrigere Sozialhilfe für die Betroffenen hat. Eine umfassende Betrachtung fehlte.

Wir sehen, dass eine Erhöhung der Sozialhilfe die Kriminalität in einem Kanton sinken lässt.
Autor: Daniel Auer Forscher an der Universität Turin

Jetzt legen Forscherinnen und Forscher eine Studie zum Brennpunkt Sozialhilfe für Geflüchtete vor. Das Expertenteam hat unter anderem die Auswirkungen von Sozialhilfeleistungen auf die Kriminalität von Geflüchteten in der Schweiz untersucht. Die Haupterkenntnis: «Wir sehen, dass eine Erhöhung der Sozialhilfe die Kriminalität in einem Kanton sinken lässt», sagt Daniel Auer von der Universität Turin.

Keine Bestätigung bisheriger Thesen

Die Behauptung, dass sich Geflüchtete mit weniger Unterstützung eher einen Job suchen würden, bestätigt die Studie hingegen nicht. Auch nicht, dass Sozialhilfe die Motivation, sich eine Arbeit zu suchen, dämpft. Es gebe keinen Zusammenhang zwischen der Höhe der Sozialhilfe und der Intensität der Jobsuche, so Auer. Der Anreiz zum Arbeiten bleibe stark, weil ein Schweizer Lohn viel attraktiver sei als ein paar hundert Franken Sozialhilfe.

Weitere Informationen zur Studie

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Für die Untersuchung verglich das Forschungsteam die registrierten Strafanzeigen mit den kantonalen Leistungen für vorläufig Aufgenommene und den Daten zu den Asylverfahren von 34'000 Personen.

An der Untersuchung «Sozialhilfe und Flüchtlingskriminalität» («Social Assistance and Refugee Crime») haben sieben Wissenschafterinnen und Wissenschafter mitgearbeitet. Sie vertreten die Universitäten Zürich, Basel, Turin, Mannheim sowie die ETH Zürich und die Fachhochschule HES SO im Wallis. Die Studie ist noch nicht publiziert worden. 

Im Fokus der Forschung standen die «vorläufig Aufgenommenen». Sie haben keinen Anspruch auf den Asylstatus, können aber dennoch nicht in ihre Heimat zurückgeschickt werden. Die Deutlichkeit, dass eine Erhöhung oder eine Kürzung der Sozialhilfe die Anfälligkeit für Straftaten sofort beeinflusst, hat die Forschenden überrascht. Betroffene reagierten selbst auf kleine Beträge. Eine Veränderung des Betrags verändere auch die Wahrscheinlichkeit einer Straftat.    

Grafik zu Veränderungen der Kriminalitätswahrscheinlichkeit
Legende: Lesehilfe: Die Grafik zeigt, dass die Wahrscheinlichkeit, einer Straftat beschuldigt zu werden, unter Geflüchteten mit einer vorläufigen Aufnahme durch eine Erhöhung der Sozialhilfe zurückgeht. Dies ist vor allem auf den Rückgang der Vermögensdelikte zurückzuführen. SRF

Das Forschungsteam schlägt aufgrund der Ergebnisse eine Harmonisierung vor: eine Angleichung der unterschiedlich hohen Sozialhilfeansätze für Geflüchtete in den Kantonen. Die Ausgestaltung der Sozialhilfe ist zwar Sache der Kantone, aber ein Bundesgesetz verlangt, dass Personen ohne Asylstatus weniger Sozialhilfe erhalten als einheimische Bezüger und anerkannte Flüchtlinge. Deshalb sei eine Angleichung nicht so einfach, sagt Gaby Szöllösy, Generalsekretärin der SODK, der kantonalen Konferenz der Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren.

Die Ergebnisse der Studie findet sie dennoch interessant. Szöllösy verweist aber darauf, dass das Datenmaterial aus den Jahren 2009 bis 2016 stammt: «Die Daten müssten aktueller sein, um ganz präzise Erkenntnisse zu gewinnen.» Seit 2016 habe es einige Veränderungen gegeben, Geflüchtete würden heute viel gezielter gefördert und unterstützt, damit sie bald eine Arbeit finden könnten.

Auch mit alten Daten hilfreich

Auch bei der SKOS, dem nationalen Fachverband für Sozialhilfe, hätte sich der Präsident neuere Zahlen gewünscht. Dies schmälere die Qualität der neuen Studie aber nicht, findet Christoph Eymann. «Die Stossrichtung stimmt», sagt er, die Studie verdeutliche ein bestehendes Problem, das auch aus Sicht der SKOS gelöst werden müsse.

Die Erkenntnisse der Studie deckten sich mit den Erfahrungen der SKOS, sagt der frühere Basler Regierungsrat und Nationalrat: Mehr Unterstützung führt zu weniger Straftaten, tiefere Ansätze können zu mehr Delikten führen. Für Eymann gute Argumente, um sich für eine schweizweite Harmonisierung der Sozialhilfe für Geflüchtete einzusetzen.

Info 3, 23.04.2024, 12:30 Uhr;kobt

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