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Spionage in der Schweiz «Wir haben Möglichkeiten zur Eskalation»

Gemäss einer Schätzung des Nachrichtendienstes sei jeder vierte russische Diplomat in der Schweiz ein Agent, berichtete die «Sonntagszeitung». Ausserdem wurde kürzlich bekannt, dass zwei russische Spione im Frühling in den Niederlanden festgenommen worden waren.

Offenbar wollten diese das Labor Spiez ins Visier nehmen – jenes Labor, das die Giftspuren im Fall des russischen Doppelagenten Sergej Skripal untersuchte. Nun äussert sich der Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis zu den Spionagevorwürfen gegen Russland.

SRF News: Das Aussendepartement will nun genauer hinschauen. Was heisst das?

Ignazio Cassis: Diese Aktivitäten von Nachrichtendiensten sind eine tägliche Angelegenheit – nicht nur im Zusammenhang mit Russland, sondern auch mit anderen Staaten. Mit Russland hat es jetzt eine gewisse Eskalation gegeben. Wir hatten bereits dieses Jahr mehrmals bilaterale Kontakte auf verschiedenen Stufen, um ihnen klar zu sagen, dass wir solche Aktivitäten in der Schweiz nicht dulden. Nächste Woche sollte ich den russischen Aussenminister sehen. Ich werde ihm das noch direkt sagen. Wir müssen eine Balance finden zwischen Klartext reden, was wir nicht dulden, und dennoch Beziehungen zu diesem Land pflegen.

Wenn die Berichte stimmen, dass ein Hackerangriff auf das Labor Spiez geplant war: Ist das für Sie inakzeptabel?

Ja. Das geht über das gewohnte Mass der nachrichtendienstlichen Tätigkeiten hinaus. Das ist auch der Grund, weshalb wir auf verschiedenen Stufen reagiert haben – vom Aussendepartement aus, aber auch, nachdem der Bundesrat informiert war.

Stimmen die Berichte über den geplanten Hackerangriff auf das Labor?

Dazu möchte ich mich nicht äussern, zumal ich zu wenige Informationen habe. Die meisten Informationen sind beim Nachrichtendienst.

Wir haben in den letzten Wochen bereits einige russische Diplomaten nicht akkreditiert.

Als Aussenminister bin ich, zusammen mit meinem Departement, vor allem dort involviert, wo diplomatische Elemente hinzukommen. Aber über die genauen Details bin ich nicht informiert.

Ermittlungen gegen Labor-Spiez-Spione

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Die Schweizer Staatsanwaltschaft ermittelt seit März 2017 gegen zwei Russen wegen einer Cyberattacke auf den Europasitz der Anti-Doping-Agentur Wada in Lausanne. Dabei handelt es sich um die gleichen Personen, die vor wenigen Monaten auch den Schweizer Nachrichtendienst beschäftigt haben, wie die Bundesanwaltschaft bestätigte.

Die beiden Männer waren im Frühjahr bei dem Versuch aufgeflogen, das Labor Spiez für Chemiewaffenuntersuchungen auszukundschaften. Sie wurden in den Niederlanden aufgegriffen und nach Russland abgeschoben.

Plant die Schweiz, russische Agenten auszuweisen?

Wir haben in den letzten Wochen bereits einige russische Diplomaten nicht akkreditiert. Noch einmal: Wir müssen eine Balance finden zwischen einerseits Klartext reden und konsequentem Verhalten und anderseits mit Russland weiterhin einen offenen, aber auch kritischen Dialog führen.

Sie wollen eine diplomatische Krise vermeiden. Wie wollen Sie diese Gratwanderung begehen?

Es darf zu keiner diplomatischen Krise kommen. Wir schauen mit allen Ländern, mit denen wir solche Probleme haben, dass wir offen und transparent genug sind, damit sie verstehen, dass wir dies nicht dulden. Wir haben auch entsprechende Möglichkeiten zur Eskalation. Aber es ist unsere neutrale Rolle, mit diesen Ländern weiterhin einen kritischen, aber offenen Dialog zu führen.

Das Gespräch führte Priscilla Imboden.

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