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Stärkung der Kaufkraft Wermuth: «Wir müssen jetzt Gegensteuer geben»

SP und Mitte haben im Nationalrat zwei Vorstösse durchgebracht, welche die Kaufkraft im kommenden Jahr stärken sollen – und viel kosten würden. Der SP-Co-Präsident Cédric Wermuth nimmt im Interview Stellung zur Kritik, die Massnahmen seien unnötig und der Bund könne sie sich nicht leisten.

Cédric Wermuth

Co-Präsident der SP Schweiz

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Cédric Wermuth ist seit 2011 für den Kanton Aargau im Nationalrat und zusammen mit Mattea Meyer Co-Präsident der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz.

SRF News: «Lass eine Krise nie ungenutzt verstreichen», soll Churchill gesagt haben. Hat die SP sich das in der drohenden Energiekrise zum Ziel gesetzt?

Cédric Wermuth: Nein, ich glaube, es geht hier nicht um die SP. Für die Menschen in diesem Land sind zu tiefe Renten und steigende Krankenkassenprämien seit Jahren ein Problem. Die Krise verschärft das. Uns war es wichtig, heute mit der Mitte das klare Signal auszusenden an die Bevölkerung: In der Krise sind wir da.

Sie haben zusammen mit der Mitte im Nationalrat zwei Vorstösse durchgebracht: Für einen kompletten Teuerungsausgleich bei der AHV und eine höhere Prämienverbilligung im nächsten Jahr. Der Bundesrat sagt aber, es sei nicht nötig, etwas zu unternehmen. Betreiben Sie schlicht Wahlkampf?

Ich stelle mit Erstaunen fest, dass der Bundesrat zwar findet, man müsse grosse Stromunternehmen – zu Recht – retten, dass er aber nicht sieht, dass auch für die Bevölkerung die Situation schwierig ist. Wir wissen alle, dass die Krankenkassenprämien steigen werden und es eine Teuerung gibt. Diese Woche gab es Zahlen dazu: Das kann bis zu einem Monatseinkommen in einem Haushalt ausmachen. Deshalb müssen wir jetzt Gegensteuer geben.

Diese Zahlen stammen vom SP-nahen Gewerkschaftsbund. Aber die Teuerung liegt in der Schweiz derzeit bei 3.5 Prozent. Das ist drei- bis sechsmal tiefer als in anderen Ländern in Europa. So gross ist der Bedarf im Vergleich zum Ausland nicht.

Man muss jetzt dafür sorgen, dass die Teuerung nicht der Tropfen wird, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Das ist richtig, wenn man das nur an der Teuerung aufhängt. Aber die Situation für die Schweizer Haushalte, für Familien, für Rentnerinnen und Rentner ist in den letzten Jahren schon schwierig gewesen. Deshalb muss man jetzt dafür sorgen, dass die Teuerung nicht der Tropfen wird, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Die Vorstösse sind auch auf 2023 ausgerichtet, aber umsetzbar wären sie erst ab 2025 – denn man muss Gesetze ändern.

Nein, das geht auch schneller. Die Schweiz hat in der Corona-Krise und mit dem Rettungsschirm bewiesen, dass man viel schneller handeln kann, wenn man will. Und wir erwarten, falls der Ständerat den Vorstössen auch zustimmt, dass der Bundesrat noch dieses Jahr eine Vorlage bringt.

Allein der Vorstoss zur Prämienverbilligung würde ungefähr 1 Milliarde Franken kosten. Der Finanzminister hat heute gesagt, dass 2025 mit einem Defizit von 5 Milliarden Franken zu rechnen ist. Wie soll der Bund das bezahlen?

60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in der Schweiz macht der Konsum aus. Wenn jetzt die Kaufkraft der Haushalte einbricht, haben wir erst ein richtiges Problem. Dann kommt die Wirtschaftskrise. Die Menschen haben Angst vor der Prämien-Erhöhung, sie haben Angst vor den Heizkosten und vor der Teuerung. Deshalb muss man jetzt auch im volkswirtschaftlichen Sinne ein Signal senden, und sagen: Wir stützen die Kaufkraft in diesem Land.

Wenn jetzt die Kaufkraft der Haushalte einbricht, haben wir erst ein richtiges Problem.

In eine Krise muss man mit Stabilität und Vertrauen gehen, das haben wir bei Corona gelernt. Dass die Regierung diese Lektion nicht mitnimmt in die nächste Krise, das beelendet mich etwas.

Den höchsten Kostenanstieg gibt es aber beim Verkehr und beim Heizen. Die SVP schlägt vor, bei der Mineralölsteuer anzusetzen. Weshalb wollen Sie da nicht mitmachen?

Diese Übung haben andere Länder gemacht. Schauen Sie auf Deutschland. Das Einzige, was dabei herausgeschaut hat, ist eine Explosion der Margen für die Erdölkonzerne. Bei den Menschen ist wenig angekommen.

Das Gespräch führte Larissa Rhyn.

Tagesschau, 21.09.2022, 18:00 Uhr ; 

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