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Steigender Referenzzinssatz Referenzzinssatz: Welche Auswirkungen hat der Anstieg?

Schlechte Nachrichten für Mieterinnen und Mieter: Der Referenzzinssatz steigt von 1.5 auf 1.75 Prozent, die zweite Erhöhung innerhalb von einem halben Jahr. Der Referenzzinssatz ist die Basis für die Berechnung der Mieten, die nun weiter steigen. Die Mietzinserhöhungen führen zu Beschwerden. Das aktuelle Mietsystem steht vor der grössten Bewährungsprobe seit der Einführung des Referenzzinssatzes vor 15 Jahren. SRF-Wirtschaftsredaktor Manuel Rentsch beantwortet die drängendsten Fragen.

Manuel Rentsch

Wirtschaftsredaktor

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Manuel Rentsch ist Wirtschaftsredaktor bei Radio SRF. Zu hören ist er oft in der Sendung SRF 3 Wirtschaft.

Welche Auswirkungen hat der Anstieg auf 1.75 Prozent?

Ein Anstieg des Referenzzinssatzes um einen Viertelprozentpunkt bedeutet, dass die Mieten der bestehenden Verträge um drei Prozent erhöht werden können. Allerdings gibt es Einschränkungen. Nur jene Mieten dürfen erhöht werden, die auf dem bisherigen Referenzzinssatz von 1.5 Prozent beruhen oder tiefer sind. Mit anderen Worten: Jene Hauseigentümerinnen und -eigentümer dürfen die Mieten erhöhen, die in den vergangenen Jahren auch die Senkungen an die Mietenden weitergegeben haben.

Eine Wohnüberbauung in Zürich im Jahr 2007.
Legende: Einmal mehr steigt der Referenzzinssatz – im Dezember 2023 auf nunmehr 1.75 Prozent. Keystone/Steffen Schmidt/Archiv

Wie viele Haushalte sind von der Mieterhöhung betroffen?

Es gibt in der Schweiz mehr als zwei Millionen Haushalte in Mietwohnungen. Rund die Hälfte dieser Mietverträge basiert auf dem aktuellen Referenzzinssatz. Das heisst: Von einer Mietzinserhöhung sind in der Schweiz potenziell mehr als eine Million Haushalte betroffen.

Wann steigen die Mieten?

Die Mieten können auf den nächsten Kündigungstermin erhöht werden, in der Regel sind das drei Monate. Nach der Erhöhung des Referenzzinssatzes dürften die Mieten per 1. April erneut steigen, falls dies die Vermietenden so beschliessen.

Wie reagiert die Politik?

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Der Bundesrat hat sich vor einer Woche mit der Problematik der steigenden Mieten an einer Sitzung befasst. Er will die Entwicklung mit Massnahmen dämpfen. Allerdings sind es erst Vorschläge, die im kommenden Sommer in die Vernehmlassung geschickt werden – also bereits nach den ersten zwei Mieterhöhungen. Die Massnahmen werden als relativ wirkungslos kritisiert.

Der Referenzzinssatz ist bereits im Juni gestiegen. Darf die Miete erneut erhöht werden?

In der Regel schon. Zusammen mit der im Juni angekündigten Erhöhung des Referenzzinssatzes könnte dies zu einer Mietzinserhöhung von sechs Prozent führen. Zusätzlich können die Vermieterinnen und Vermieter die aufgelaufene Teuerung und die allgemeine Kostensteigerung geltend machen.

Was heisst das für die Haushalte?

Es zeichnet sich ab, dass sich etliche Haushalte die Wohnungen so nicht mehr leisten können. Es gibt eine Rückkehr zu alten Wohnformen. Die Mieterinnen und Mieter rücken vermehrt zusammen und bilden Wohngemeinschaften. Es gibt noch keinen klaren Trend, aber erste Indizien. Laut Bundesamt für Statistik nimmt die Zahl der 3-Personen und 4-Personen-Haushalte erstmals seit Jahren wieder zu, die Haushalte werden grösser.

Wann steigt der Referenzzinssatz erneut?

Laut Prognosen könnte der Referenzzinssatz 2025 und 2026 erneut um je 0.25 Prozentpunkte steigen. Dies bedeutet, dass die Mietzinsen der bestehenden Verträge innerhalb von drei Jahren um zirka 15 Prozent steigen könnten – was für viele Haushalte eine ausserordentlich hohe Belastung ist. Die Mieten und die Nebenkosten machen rund ein Viertel des Budgets eines durchschnittlichen Haushaltes aus.

Wie wird der Referenzzinssatz berechnet?

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In einem ersten Schritt wird der Durchschnittszinssatz aller inländischen Hypothekenforderungen der Banken berechnet. Die Gesamtsumme der in die Berechnung einfliessenden Hypotheken liegt bei 1132 Milliarden Franken. Die ausstehenden Hypotheken haben unterschiedliche Laufzeiten und unterschiedliche Zinsen. Daraus wird ein Durchschnitt berechnet und der Referenzzinssatz ist dann der auf ein Viertelprozent gerundete Wert.

Wie hat sich der Referenzzinssatz entwickelt?

Der Referenzzinssatz wurde 2008 als Konzept und als Basis für die Berechnung von Mieten eingeführt. Damals lag der Referenzzinssatz bei 3.5 Prozent. Seither ist dieser Wert kontinuierlich gefallen – bis heute. Das hat auch zur Folge, dass etliche Mieterinnen und Mieter von einer Senkung der Mieten profitiert haben. Nun gibt es eine Trendwende. Der Referenzzinssatz wird vierteljährlich berechnet und veröffentlicht – immer am ersten Arbeitstag der Monate März, Juni, September und Dezember.

Viele Mieterinnen und Mieter wehren sich und erheben Einspruch. Was hat das für Folgen?

Die Flut von Beschwerden bringen das aktuelle System an den Anschlag – bei den Schlichtungsbehörden stapeln sich die Fälle. Es ist die grösste Belastungsprobe seit der Einführung des Referenzzinssatzes vor 15 Jahren. Bereits in der ersten Jahreshälfte haben die Schlichtungsverfahren im Miet- und Pachtwesen um mehr als 40 Prozent zugenommen. Im Frühling könnten sich die Beschwerden aus der ersten Mietzinserhöhung und jener der zweiten überlappen – was bei den Behörden und auch bei den Verwaltungen für Chaos sorgen könnte.

Heute Morgen, 01.12.2023, 08:00 Uhr ; 

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