- Seit Anfang 2023 vergibt die Stadt Zürich Stipendien für Weiterbildungen.
- Zielgruppe sind Menschen mit geringen Qualifikationen und tiefem Einkommen.
- Gemäss einer ersten Bilanz der Stadt kommt das schweizweit einmalige Angebot gut an.
- Von 120 Gesuchen konnte bis jetzt gut die Hälfte bewilligt werden, weitere sind in Abklärung.
Wer 100 Prozent als Reinigungskraft oder Casserolier arbeitet, hat häufig weder Geld noch Zeit, um sich um eine Weiterbildung zu kümmern. Und noch wenn die Möglichkeit bestünde, gibt es Hürden: Für eine Weiterbildung die Arbeitszeit reduzieren oder gar unterbrechen, kommt aus finanziellen Gründen kaum infrage. Oder es braucht zusätzliche Kinderbetreuung, was auch wieder kostet.
Keine Lohneinbusse als schlagendes Argument
Das neue Angebot der Stadt Zürich deckt neben den Ausbildungskosten auch genau diese Kosten ab. Das sei enorm wichtig, sagt Marco Graf, Stipendienberater im Laufbahnzentrum. «Bei einer Lohneinbusse machen sie die Weiterbildung nicht, denn sie liegt einfach nicht drin.»
Mit den neuen Stipendien könnten Geringverdienende und Personen ohne höheren Ausbildungsabschluss ihre Position im Arbeitsmarkt jedoch verbessern. Bis jetzt gab die Stadt durchschnittlich 6900 Franken pro Gesuch aus, insgesamt rund 450'000 Franken.
Bei einer Lohneinbusse machen sie die Weiterbildung nicht.
In den ersten 10 Monaten haben sich 120 Personen gemeldet. Da gebe es noch «Luft nach oben», räumt der zuständige Stadtrat Raphael Golta ein, aber: «Wir haben die richtigen Leute erreicht.» Heisst, Leute, die bis jetzt keinen Berufsabschluss haben und denen die Möglichkeiten fehlen, sich weiterzubilden.
«Diese Menschen bleiben häufig stehen oder steigen sogar ab.» Das wolle die Stadt verhindern. Nicht zuletzt ist jede und jeder, der sich selbst über Wasser halten kann, nicht auf Sozialhilfe angewiesen. Erste Erfahrungen zeigten, dass dies funktioniere.
Zielgruppe schwer erreichbar
So einfach wie es klingt, sind die Stipendien jedoch nicht zu erhalten. Es gibt verschiedene Bedingungen und Einkommensgrenzen, und sie werden nur gewährt, wenn alle anderen möglichen Unterstützungsarten ausgeschöpft sind. Auch das Anmeldeprozedere hat es in sich. Es ist auch für gut Ausgebildete eine Herausforderung. Wird die Zielgruppe so wirklich erreicht? Dafür sei die Stadt auf die Zusammenarbeit mit weiteren Organisationen angewiesen, sagt Golta.
Organisationen wie die Caritas oder das Schweizerische Rote Kreuz, die näher an den betroffenen Menschen seien. «Über diesen Weg erreichen wir tatsächlich Menschen, die wir sonst nicht erreichen würden.»
Es sind Menschen wie der 41-jährige Familienvater aus Mazedonien. Bis jetzt arbeitete er unregelmässig als Kurier und Aushilfe in einem Restaurant. Mit den Weiterbildungs-Stipendien der Stadt kann er die Lastwagen-Fahrprüfung machen.
Oder die 56-jährige alleinerziehende Schweizerin. Ihre Ausbildung im Tourismusbereich liegt 20 Jahre zurück. Aktuell arbeitet sie in einem Kundencenter, aber sie möchte aus gesundheitlichen Gründen in den Schulbereich wechseln. Mit den Stipendien kann sie den Grundlagenkurs Klassenassistenz finanzieren und ihre Bewerbungsaussichten verbessern.
Nach den ersten Erfahrungen will die Stadt das System mit den neuen Stipendien laufend weiterentwickeln. «Wir sind auf dem richtigen Weg» ist Stadtrat Raphael Golta überzeugt.