Darum geht es: In Grossbritannien sorgt der Fall eines 12-Jährigen, der an rechtsextremen Ausschreitungen beteiligt war, für Aufsehen. Nun drohen dem Jungen harte Strafen. Das Strafmass soll heute verkündet werden. In der Schweiz liegt das Strafmündigkeitsalter bei zehn Jahren – eine der tiefsten Grenzen in Europa.
Tiefe Strafmündigkeit in der Schweiz: Dass das Strafmündigkeitsalter in der Schweiz so tief ist, hat historische Gründe. Bei Einführung des schweizerischen Strafgesetzbuches 1941 gab es noch kein flächendeckendes Jugendschutzrecht. Die Grenze lag damals gar bei sechs Jahren. Das Strafrecht sollte zumindest einen Rahmen bieten, um auf straffällige Kinder zu reagieren. Jedoch sind nicht nur die Strafmündigkeit tief, sondern auch die Strafmöglichkeiten.
Ablauf von Verfahren gegen Jugendliche: Ein Verfahren gegen Kinder und Jugendliche läuft in der Schweiz anders ab als bei Erwachsenen. Es gibt spezialisierte Jugendstrafbehörden. «Jugendanwältinnen und -anwälte übernehmen die Fälle. Sie sind im Prinzip die Staatsanwälte für die Jugendlichen und führen die Verfahren», erklärt Strafrechtsexperte Gian Ege. Er ist Assistenzprofessor für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Universität Zürich und forscht zum schweizerischen Jugendstrafrecht. Diese Jugendanwälte können in leichteren Fällen direkt Strafen oder Schutzmassnahmen verhängen. Bei schwereren Vergehen wird das Verfahren an ein Gericht übergeben. Es sind immer auch Sozialarbeitende involviert, die in Beratung mit der Jugendanwaltschaft Strafen und Schutzmassnahmen bestimmen.
Mögliche Strafen: Im Alter von zehn bis 14 Jahren können straffällige Jugendliche nur mit milden Strafen belegt werden. Dazu gehören persönliche Leistungen, wie gemeinnützige Arbeiten, oder ein Verweis. Ab 15 Jahren sind auch Geldstrafen bis 2000 Franken oder Freiheitsstrafen möglich. Für Jugendliche unter 16 Jahren beträgt die Freiheitsstrafe maximal ein Jahr, bei Älteren bis zu vier Jahre, aber nur bei «extrem schweren Delikten».
Mögliche Schutzmassnahmen: «Schutzmassnahmen dürfen nicht den Charakter einer Strafe haben. Es geht um eine Reaktion auf die Erziehungs- oder Behandlungsbedürftigkeit eines Jugendlichen», sagt Gian Ege. Diese reichen von der Aufsicht und Betreuung durch Sozialarbeitende bis hin zur Unterbringung in geschlossenen Einrichtungen. Es gehe darum, ihnen die Möglichkeit zu geben, sich zu rehabilitieren und in die Gesellschaft wiedereinzugliedern.
Debatte um härtere Strafen: Das Schweizer Jugendstrafrecht steht politisch unter Druck. Kürzlich wurde vom Parlament die Möglichkeit der Verwahrung für jugendliche Mörder beschlossen – eine Entscheidung, die einen Systembruch darstellt, erklärt Ege. «Bislang war die Verwahrung von Jugendlichen undenkbar.» Die Forderungen nach härteren Strafen nehmen zu, doch Ege mahnt zu einem differenzierten Umgang. «Es ist wichtig, evidenzbasiert zu entscheiden, und nicht einfach aufgrund unbegründeter Behauptungen mehr und härtere Strafen und Massnahmen einzuführen», sagt er.