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Street Parade: Nadelstiche «Needle Spiking»: ein neues Phänomen sorgt für Unsicherheit

  • Während der Street Parade meldeten sich 8 Personen an den Sanitätsposten, die offensichtlich von «Needle Spiking» betroffen waren.
  • Die Vorfälle ereigneten sich alle in der Region Bürkliplatz am späteren Nachmittag und frühen Abend.
  • Beim «Needle Spiking» handelt es sich um mysteriöse Nadelstiche, die Unbekannte ihren Opfern unvermittelt zufügen.
  • Ein Opfer berichtet gegenüber SRF von Schwindel und einem Druckgefühl, als wäre sie in ihrem eigenen Körper gefangen. 
Sanitätsposten mit Ambulanz, Menschen in gelben Westen
Legende: Bei diesem Sanitätsposten an der Talstrasse meldeten sich sieben der insgesamt acht Personen wegen Vorfällen von «Needle Spiking». Schutz & Rettung Zürich

Grundsätzlich verlief die Street Parade friedlich und es gab lediglich 621 medizinische Behandlungen. Das ist wenig, setzt man diese Zahl ins Verhältnis zu den 900'000 Teilnehmenden. Dennoch: Acht Personen meldeten sich bei Schutz & Rettung Zürich mit Verdacht auf «Needle Spiking».

Bei diesem Phänomen handelt es sich um Nadelstiche, die Unbekannte ihren Opfern zufügen. Falls dabei Substanzen gespritzt werden, kann dies Symptome wie Übelkeit, Benommenheit bis hin zu Gedächtnisverlust verursachen.

«Needle Spiking» – ein neues Phänomen

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Erste Fälle traten bereits letzten Herbst in Grossbritannien an Partys, in Clubs und Musik-Festivals auf. Innert weniger Monate ging eine überraschend hohe Zahl bei Ermittlungsbehörden ein. In einem abschliessendem Bericht des britischen Parlaments ist von rund 500 «Spiking»-Fällen die Rede. Im Verlauf der letzten Monate häuften sich Meldungen von Nadelattacken auch in Frankreich, Spanien und Brüssel, wo deshalb ein Jugendfestival abgebrochen werden musste. Seit Ende Mai die ersten Fälle in Deutschland auftauchten, schwappte das Phänomen nun auch in die Schweiz über.

Auch Mirena M. wurde Opfer der mysteriösen Nadelattacken in der Nähe des Bürkliplatzes. Sie berichtet gegenüber SRF von Schwindel und einem Druckgefühl, wie als wäre sie in ihrem eigenen Körper gefangen. Mit der Zeit habe sie nichts mehr gehört und sei orientierungslos durch die Gegend gelaufen, wodurch sie ihre Gruppe verlor.

Die Notärztin Katharina Seidl war vor Ort. Die Patientinnen und Patienten hätten sich natürlich Sorgen gemacht, nachdem sie einen Einstich festgestellt hätten, sagt sie. Nach einer Grundreinigung und Fotodokumentation der Wunde wollten jedoch nicht alle das Angebot annehmen und für weitere Untersuchungen ins Spital gebracht werden.

Ärztin: Unwahrscheinlich, dass Substanzen in den Körper gelangen

Bei den im Ausland gemeldeten Fällen stachen laut Ermittlungsbehörden weit über 90 Prozent Männer mit Spritzen oder Nadeln zu. Dabei kam es aber nie zu Vergiftungen, Diebstählen oder sexuellen Übergriffen – stattdessen zum sogenannten «Nocebo»-Effekt. Hierbei verspüren Opfer Symptome auch ohne Substanzen. Dafür ausschlaggebend ist meist die Kombination von Alkohol und Angst.

Jemandem mit «Needle Spiking» Substanzen zu verabreichen, sei hingegen schwierig, meint Katharina Seidl, die ärztliche Leiterin von Schutz & Rettung Zürich. Die Wahrscheinlichkeit, innert kurzer Zeit zuzustechen, zu injizieren und eine wirksame Menge in den Körper hineinzubekommen, sei sehr gering. Um mehr Wirkstoff innerhalb des beschränkten Zeitfensters einzuführen, müsste eine grössere Nadel verwendet werden, welche sofort beim Einstich bemerkt werden würde, sagt die Medizinerin. Hinzu komme, dass das Gewebe von den meistens betroffenen jungen und gesunden Frauen Widerstand leisten würde.

Unklare Motive

Auch der Psychologe Felix Hof kann aufgrund von fehlenden Fakten nur Hypothesen formulieren. Er geht dabei von einer Sensations- und Aufmerksamkeitssuche in Kombination mit einem sadistischen und machtmotivierten Motiv aus. Der Täter empfindet Freude, anderen Schmerzen, Angst und Panik zuzufügen und eine dominierende Position einzunehmen. Die Opfer werden so weit in ihrem Ausgangsverhalten beeinträchtigt, dass sie nicht mehr frei entscheiden können.

Auf jeden Fall lohnt es sich bei Verdacht, sich sofort untersuchen zu lassen, da es durch das mehrmalige Verwenden einer Nadel zu Infektionskrankheiten kommen könnte.

Regionaljournal ZH SH, 15.8.2022, 07:31 Uhr

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