Vor zwei Wochen machte es Bruder Samuel Camenzind offiziell: Nach 12 Jahren als Mönch reichte er seinen Austritt aus dem Kloster Engelberg ein. Praktisch gleichzeitig verklagte er das Kloster auf Schadenersatz. «Ich wollte Mönch bleiben», sagt er heute gegenüber SRF, «man bindet sich ein Leben lang an ein Kloster.» Und doch sei es ihm unmöglich gewesen, bei den Engelberger Benediktiner zu bleiben. «Das Klima im Kloster hat mich innerlich kaputt gemacht.»
Bericht bestätigt schlechte Stimmung
Samuel Camenzind sagt, er sei im Konvent jahrelang gemobbt und drangsaliert worden. Besonders zwei Mitbrüder hätten es auf ihn abgesehen. «Sie haben Lügen und Unwahrheiten über mich verbreitet.» Er habe gesundheitliche Probleme bekommen und auf Anraten des Hausarztes das Kloster schliesslich verlassen.
Die schlechte Stimmung im Kloster wird von unabhängiger Stelle bestätigt. Dem katholischen Newsportal «kath.ch» liegt ein Visitationsbericht aus dem Jahr 2021 vor. Darin beschreiben zwei auswärtige Mönche die Stimmung hinter den Klostermauern. Sie sahen den Konvent in einer «besorgniserregenden Krise» und schrieben von «Zerwürfnissen, Streitereien, Feindseligkeiten und Unversöhnlichkeiten unter mehreren Mitbrüdern».
Ein bekanntes Problem
Nun verklagt Bruder Samuel seine ehemalige Gemeinschaft auf über 300’000 Franken Schadenersatz. Weil er, zurück im Zivilleben, ohne ausreichend finanzielle Mittel dastehe. Besonders die fehlende Altersvorsorge beschäftigt den 59-jährigen. Die AHV reiche nicht und eine Pensionskasse fehlt im Kloster Engelberg.
Das Klima im Kloster hat mich innerlich kaputt gemacht.
Das Problem der ungenügenden Altersvorsorge für ehemalige Mönche und Nonnen sei ein Problem des Kirchenrechts, sagt die Historikerin Annalena Müller, die sich mit dem Fall auskennt. «Das alte Kirchenrecht sieht nicht vor, dass es zu einem Austritt kommt.» Falls das doch passiere, müsse jede Gemeinschaft für sich schauen. «Im Fall von Engelberg ist es zur Eskalation gekommen.»
Eine konfliktfreie Lösung kennt der Kapuziner-Orden. Dieser zahlt für seine Mitglieder freiwillig Beiträge in die zweite Säule ein. Bei einem allfälligen Austritt aus dem Orden wird dieses Geld ausbezahlt. Weil die Benediktiner diese Regelung nicht kennen, wurde vor dem Austritt Samuel Camenzinds lange nach anderen Lösungen gesucht.
Wir haben als Gemeinschaft versucht, Lösungen zu finden und miteinander auf dem Weg zu bleiben.
Einerseits hat er selbst nach eigenen Angaben bei anderen Klöstern um Aufnahme gebeten – was nicht funktioniert habe. Andererseits versuchte das Oberhaupt des Klosters, Abt Christian Meyer, die Gemeinschaft zu versöhnen. Es kam zu mehreren Mediationen.
Abt wehrt sich
Gegenüber SRF nimmt Christian Meyer zum ersten Mal Stellung zum Fall. Er bestreitet die Vorwürfe Camenzinds. Zur fehlenden Altersvorsorge sagt er, sie hätten bis jetzt absichtlich auf Einzahlungen in die Pensionskasse verzichtet. «Ein Eintritt ins Kloster hat eine gewisse Radikalität.» Die Pensionskasse als Absicherung passe nicht dazu. Trotzdem würden sie nochmals über die Bücher gehen.
Die Schadenersatzforderung von über 300'000 Franken hält der Abt für überrissen. «Das widerspiegelt nicht die Zahlen, die wir errechnet haben.» Momentan würde Samuel Camenzind sowieso noch vom Kloster unterstützt – mit rund 2500 Franken pro Monat. Hinzu kämen die Krankenkasse, Fernsehgebühren, AHV-Gelder und Steuern. Vorerst ist Bruder Samuel nämlich noch Mitglied der Benediktiner. Ein Ordensaustritt dauert lange und braucht den Segen Roms.