Gabi will nicht, dass man ihren vollen Namen kennt. Die 63-Jährige möchte anonym bleiben, weil sie seit 20 Jahren harte Drogen konsumiert. Mittlerweile ist es ein Heroin-Ersatzprodukt, das sie in Luzern auf der Abgabestelle erhält. Hauptsächlich. «Es ist nicht dasselbe. Zwischendurch habe ich Lust auf richtige Drogen. Ab und zu nehme ich noch Kokain.»
Süchtig bis zum Tod
Die zierliche Frau mit dem farbigen Tuch in den Haaren und wachen blauen Augen sagt von sich selbst, sie sei noch fit. Trotzdem spüre sie, wie sie älter werde. Ihr sei bewusst geworden, dass sie die Drogensucht auch im letzten Lebensabschnitt nicht loswerde. «Ich bin süchtig und bleibe es, bis ich sterbe.»
Wie Gabi geht es immer mehr Menschen in der Schweiz. Laut dem Bundesamt für Gesundheit erhalten rund 17'600 Personen künstlich hergestelltes Heroin oder eine Ersatzsubstanz wie Methadon. Vor 20 Jahren war es vor allem die Altersgruppe zwischen 25 und 35 Jahren, die dieses Angebot in Anspruch nahm. Heute sind es die 45- bis 54-Jährigen. Gut 700 Personen sind sogar bereits über 65 Jahre alt.
Süchtige altern schneller
Dass sich viele Süchtige langsam der Pension nähern, merkt auch Natalie Gloor. Sie ist Leiterin vom Schalter 20 in Luzern, einer Beratungsstelle für Suchtkranke. «Neuerdings beraten wir die Leute auch bei ihrer AHV-Anmeldung. Das gab es vor zehn Jahren noch nicht.» Ausserdem komme es auch vor, dass sie nach Altersheimplätzen suchen oder einen Mahlzeitendienst organisieren.
Hinzu komme, dass eine Drogensucht den Körper stark beanspruche und schon früh Abnutzungserscheinungen auftreten. «Dadurch müssen sich Suchtkranke früher mit dem Thema Altwerden beschäftigen als andere», sagt Gloor. Sie sind also eher mit der Frage konfrontiert, ob sie für die Altersbetreuung und -pflege in ein Altersheim eintreten wollen oder nicht.
Auf der Strasse lassen können wir die alternden Suchtkranken nicht. Insbesondere dann nicht, wenn sie auf Pflege und medizinische Leistungen angewiesen sind.
Das sind Gedanken, die sich Gabi auch schon gemacht hat. «Ich selbst sehe mich nicht im Altersheim. Aber es kann natürlich passieren, dass ich auf Pflege angewiesen bin und in ein Heim muss.» In einem solchen Fall sei es ihr wichtig, dass sie so akzeptiert werde, wie sie ist – mit ihrer Drogensucht.
Suche nach Lösungen
Sie hätten schon Drogensüchtige ins Altersheim aufgenommen, sagt Christian Schuster, der in Luzern den Pflegedienst der städtischen Heime leitet. Bei ihnen sei der kontrollierte Konsum von Drogen und die Abgabe von Methadon grundsätzlich möglich. Dealen jedoch sei nicht erlaubt und auch sonst gebe es Grenzen: «Sobald das Personal oder andere Mitbewohnende angeschrien, beschimpft oder sogar mit Gewalt bedroht werden, braucht es eine andere Lösung.»
Es sei grundsätzlich komplex, süchtige Menschen in einem regulären Altersheim unterzubringen, ergänzt Natalie Gloor. «Im Alter einen kompletten Lebenswandel durchzumachen, ist auch für suchtkranke Menschen schwierig.» Deshalb sucht die Stadt Luzern nach Lösungen für das Problem der alternden Drogensüchtigen. «Auf der Strasse lassen können wir sie nicht», so Gloor. «Insbesondere dann nicht, wenn sie auf Pflege und medizinische Leistungen angewiesen sind.»
Die suchtkranke Frau, die für diesen Bericht interviewt wurde, ist kurz nach der Ausstrahlung verstorben.