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SVP-Präsident tritt ab Marco Chiesa: Auftrag doch nicht ganz erfüllt

Mit der Übernahme eines wichtigen Amtes in der Schweizerischen Volkspartei erhält man zeitgleich auch einen Auftrag. So prägte es SVP-Doyen Christoph Blocher, und so wird es auch heute noch gelebt. Der damals in der Deutschschweiz kaum bekannte Tessiner Ständerat Marco Chiesa erhielt 2020 den Auftrag, die Partei wieder nach vorne zu bringen.

Wegen der Niederlage bei den nationalen Wahlen 2019 trat Albert Rösti, heute Bundesrat, als Parteipräsident ab. Die Suche nach einer Nachfolge verlief allerdings harzig. Und die wenigen Kandidierenden, wie der Zürcher Nationalrat Alfred Heer, passten dem Übervater Christoph Blocher nicht. Also fiel die Wahl auf Chiesa, der auch mit Blochers Tochter Magdalena Martullo gut befreundet sein soll. Mit Chiesa rechnete damals kaum jemand.

Chiesa hatte im Tessin Erfolg

«Marco wer?», fragten nicht wenige auch unter der Bundeshauskuppel. Doch Chiesa hatte die SVP im Tessin auf Vordermann gebracht und war als erster Tessiner SVP-Vertreter in den Ständerat eingezogen. Chiesa galt als Siegertyp. Mit seinem Tessiner Charme sahen viele einen neuen Toni Brunner in ihm. Chiesa erhielt nun den Auftrag, die Wahlen 2023 zu gewinnen. Und gemessen an diesem Auftrag lässt sich sagen: Marco Chiesa hat den Auftrag erfüllt. Die Partei hat im Oktober das drittbeste Resultat in der Geschichte eingefahren.

Stark präsent war Chiesa ausserhalb seines Heimatkantons vor allem in der Westschweiz. Chiesa, der in Freiburg studierte, spricht perfekt Französisch und bestritt regelmässig grosse TV-Debatten und Interviews in der Romandie – das kam offenbar an. In der Westschweiz wie auch im Tessin konnte die SVP bei den Wahlen im Oktober noch deutlicher zulegen als in der Deutschschweiz. Auftrag besonders in der lateinischen Schweiz also erfüllt.

Durchzogene Bilanz in der Deutschschweiz

Die Bilanz von Marco Chiesas Wirken in der Deutschschweiz fällt allerdings durchzogener aus. Chiesa, dem die öffentlichen Debatten auf Deutsch bis zuletzt eher schwerfielen, war wenig präsent. Auch blieb er oft etwas unnahbar. Chiesa wurde nicht, wie in der Partei erhofft, zu einem zweiten Toni Brunner. Er hatte wenig Konturen, bot aber auch kaum Angriffsflächen. Das Feld überliess Chiesa anderen bekannten Parteiexponenten. Fraktionschef Thomas Aeschi. Nationalrätin Magdalena Martullo. Oder Wahlkampfleiter Marcel Dettling.

Faktisch wurde das Parteipräsidium auf verschiedene Schultern verteilt. Das funktionierte erstaunlich gut. Die SVP wurde zur ersten nationalen Partei, die auch ohne dauerpräsenten Parteipräsidenten Themen setzen konnte. Noch wichtiger wurde in Chiesas Ära das Parteiprogramm, die Köpfe traten in den Hintergrund.

Dettling könnte Favorit sein

Und trotzdem fehlte in der Deutschschweiz, dem Herz der SVP, zunehmend eine Persönlichkeit an der Spitze, die den Kurs vorgab. Immer wieder mischte sich dafür Doyen Christoph Blocher ein, zuletzt bei den Bundesratswahlen. Chiesa blieb oft stumm. Für die Erfolge in der Deutschschweiz stehen andere Parteigrössen, nicht Marco Chiesa. Auftrag also doch nicht ganz erfüllt.

Aus der Partei ist zu hören, dass man nun wieder eine Person mit Charisma an der Spitze sehen will. Jemand aus der Deutschschweiz. Für das Programm soll wieder eine Persönlichkeit stehen, und nicht für jedes Dossier eine andere. Viele sehen in Marcel Dettling den Kronfavoriten. Als Wahlkampfleiter steht der Schwyzer Bauer und Nationalrat für den Erfolg der SVP in der Deutschschweiz. Falls Dettling zusagt, könnte er als Nächstes einen grossen Auftrag der Volkspartei erhalten.

Andy Müller

Bundeshausredaktor

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Andy Müller ist Bundeshausredaktor des Schweizer Fernsehens. Zuvor war er Themenplaner und stellvertretender Redaktionsleiter von «10vor10».

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Info3, 28.12.2023, 12 Uhr

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