- In der Therapie tätige Psychologen sollen nicht mehr unter Aufsicht eines Arztes arbeiten müssen, sondern selbständig auf ärztliche Anordnung.
- Menschen mit psychischen Problemen, etwa Kinder und Erwachsene in Krisensituationen, sollen so einfacher und rascher eine Therapie erhalten.
- Der Bundesrat gibt eine entsprechende Änderung in die Vernehmlassung.
Heute werden Leistungen psychologischer Therapeuten lediglich von der Grundversicherung übernommen, wenn sie unter Aufsicht und in den Räumlichkeiten eines Arztes erbracht werden. Der Bundesrat will das ändern.
Demnach sollen psychologische Therapeuten ihre Leistungen künftig selbständig erbringen dürfen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Dazu gehören die entsprechende Qualifikation, eine kantonale Berufsausübungsbewilligung sowie klinische Erfahrung. Und die Therapie bei einem Psychologen muss von einem Arzt verordnet werden.
Kein zusätzlicher Besuch beim Psychiater
Dabei kann es sich auch um eine Hausärztin oder einen Gynäkologen handeln. Eine vorgängige Konsultation beim Psychiater wäre nicht mehr zwingend.
Es gibt immer längere Wartezeiten. Das ist schlecht für die Betroffenen.
Bundesrat Alain Berset verspricht sich vom einfacheren Zugang eine bessere Versorgung: «Es gibt immer längere Wartezeiten. Das ist schlecht für die Betroffenen.» Mit dem Systemwechsel könnten Engpässe, etwa bei Kindern und Jugendlichen sowie Erwachsenen in Krisensituationen, reduziert werden.
Die Änderung würde allerdings zu einem Anstieg der Kosten für die Krankenkassen führen: Der Gesundheitsminister rechnet damit, dass heute privat bezahlte Leistungen im Umfang von rund 100 Millionen Franken künftig über die obligatorische Krankenversicherung abgerechnet würden. Längerfristig dürfte diese Zahl sogar noch steigen, sagte er vor den Medien.
Das heutige Modell war als Übergangslösung bis zur Harmonisierung der Ausbildung der Psychologen gedacht. Mit dem Gesetz über die Psychologie-Berufe, das seit 2013 in Kraft ist, ist diese Harmonisierung inzwischen erfolgt.
Für Psychologen geht also ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung: Erst diesen Frühling hatten sie eine Petition mit über 90'000 Unterschriften eingereicht, die genau das fordert, was der Bundesrat nun in die Vernehmlassung gibt.
Psychiater rechnen mit hohen Mehrkosten
Samuel Rom von der Föderation Schweizer Psychologen ist zufrieden. Der Systemwechsel bringe einen grossen Vorteil: «Die Patienten brauchen das Nadelöhr eines ihnen fremden Fachmanns, nämlich eines Psychiaters oder einer Psychiaterin, nicht mehr zu bemühen und haben die freie Wahl.»
Kritik kommt dagegen von der Dachorganisation der Psychiater. Wenn Psychologen nicht mehr von Psychiatern beaufsichtigt seien, sondern selber Rechnung stellen dürften, werde es teuer, sagt Pierre Vallon von der FMPP. «Denn dann müssen sie die Kosten für ihre Praxis auch selber bezahlen.»