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Tempo-Reduzierung Städte und Gewerbe zoffen sich um Tempo 30

Die Städte wollen Tempo 30 zur Norm machen. Gewerbler sehen nur Nachteile, der Mobilitätsexperte keine andere Wahl.

In vielen Wohnquartieren kennt man es bereits: Tempolimit 30. Geht es nach dem Städteverband mit 129 Städten und Gemeinden, soll auch auf anderen Strassen die Geschwindigkeit von 50 auf 30 Kilometern pro Stunde fallen. Tempo 30 soll zur Norm werden.

«Der Städteverband möchte zum einen den Lärm damit bekämpfen, und zwar an der Quelle. Zum anderen, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen», sagt Verbandspräsident Anders Stokholm, der auch Stadtpräsident von Frauenfeld ist.

Verursacht langsame Fahrt Kosten?

Eine solche Temporeduktion innerorts sorgt beim Schweizerischen Gewerbeverband für harsche Kritik. Direktor Hans-Ulrich Bigler bezeichnet den Vorschlag als ideologisch und wirtschaftsfeindlich. «Sie müssen die Kumulation verschiedener Ereignisse sehen: Tempo 30 mit langsamer Fahren, Stauzeiten, Verkehrsbehinderungen – in der Summe sind das Kosten, die die KMU in die Agglomeration und aus den Zentren heraus verdrängen.»

Städteverband-Präsident Stokholm widerspricht: Der Zeitverlust von rund 15 Sekunden pro Kilometer sei vernachlässigbar. Es sei aber möglich, Gesundheitskosten infolge Lärmemissionen in Milliardenhöhe einzusparen.

Verkehr soll flüssiger werden

Einen tatsächlichen Zeitverlust zu benennen, sei schwierig, sagt Mobilitätsforscher Thomas Sauter-Servaes von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW: «Man kann nicht einfach sagen, dass geringere Geschwindigkeiten gleich zu längeren Fahrzeiten führen werden.» Das geringere Tempo führe dazu, dass der Verkehr flüssiger werde. Es gebe noch zu wenige Studien in der Schweiz, um dies zu berechnen.

Wie stark Tempo 30 die Wirtschaft und das Gewerbe tatsächlich bremst, sei von Betrieb zu Betrieb anders: «Es gibt Gewinner und Verlierer.» Der Buchladen um die Ecke etwa werde attraktiver, weil man einfacher zu Fuss oder mit dem Velo hingehen könne. Auf der anderen Seite müsse der Heizungsmonteur wahrscheinlich längere Fahrzeiten einberechnen. «So einfach ist es also nicht.»

Für den Mobilitätsforscher ist aber klar: «Wenn wir die Städte verdichten und den Klimaschutz nach vorne bringen wollen, dann geht nichts an mehr Tempo 30 Zonen vorbei.»

Tagesschau, 19.12.2022. 19:30 Uhr

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