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Terrorprozess in Paris Schweizer «Emir» zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt

  • Seit drei Jahren sass er in Untersuchungshaft, heute erging am Sonder-Schwurgericht in Paris das Urteil gegen M. und sechs Mitangeklagte: schuldig. Die Verurteilten können dagegen noch Rekurse einlegen.
  • Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Männer insbesondere in geschlossenen Telegram-Gruppen Anschläge vorbereiteten hatten gegen eine ganze Reihe von möglichen Zielen in der Schweiz und Frankreich.
  • Der 31-Jährige besprach die Anschlagsideen auch mit seiner Partnerin und einem Schweizer IS-Kämpfer in Syrien und stand in Kontakt mit dem späteren mutmasslichen Attentäter von Morges (VD).

Ein letzter Appell heute Morgen: M., erhebt sich in der Glasbox, tritt ans Mikrofon, blickt zu den Geschworenen: «Herr Gerichtspräsident, ich möchte Ihnen danken, dass Sie mich angehört haben. Ich entschuldige mich, auch wenn ich weiss, dass das nicht ausreichend ist.»

Es ist ein letzter Versuch, eine lange Haftstrafe zu reduzieren. Der Staatsanwalt hatte 15 Jahre gefordert.

M. richtete seine Worte auch direkt an die Schweiz, denn er hofft auf eine baldige Rückkehr und betonte, er liebe dieses Land, das ihn als dreijährigen Jungen mit seiner Mutter nach der Flucht aus Bosnien aufgenommen habe.

Alles bloss Worte

Damit hatten auch die Verteidigerinnen von M. argumentiert: Ein kleiner Bub, der ohne Vater aufwächst, als Jugendlicher bald erhebliche Mengen Drogen konsumiert und gewalttätig wird. Die Dinge, die er gesagt und getan habe, seien schrecklich – aber es seien nur Worte gewesen.

Bloss Worte – die Darstellung vermochte schon die Anklage nicht zu überzeugen. Sie hielt die Ausführungen von M. für nicht glaubhaft.

Dschihadistische Propaganda – und Taten

Was M. zusätzlich belastet: Er unterhielt sich nicht nur in Chat-Gruppen über mögliche Terroranschläge – praktisch sein ganzer Alltag war in den Wochen vor seiner Verhaftung geprägt durch die dschihadistische Ideologie. Auf seinem Telefon und Computer fanden die Ermittler «gigantische Mengen» – so bezeichnete es selbst seine Verteidigerin – an Propaganda.

Mehr noch: M. unternahm einen Test mit einem aus Schwarzpulver fabrizierten Sprengsatz. Für ihn: nur Spass. Für die Anklage: Vorbereitungshandlungen.

In einem Schweizer Schiessstand feuerte er mit Sturmgewehren. Für ihn: nur Spass. Für die Anklage: Training.

In Yverdon schändete er einen Friedhof. Für ihn: Rache dafür, dass zuvor ein muslimischer Friedhof verunstaltet worden sei. Für die Anklage: Beweis, dass er nicht nur spricht, sondern zur Tat schreitet.

Wiederholt schlug M. seine Frau und die kleinen Kinder. Für ihn: ein Akt der Liebe – für die Anklage: Ausdruck seiner Gewaltbereitschaft.

Urteil «schuldig»

Nach über sechs Stunden Beratung kehrten die Geschworenen um 16:30 Uhr in den Saal zurück und verkündeten die Urteile. Für M. 15 Jahre, die anderen sechs erhalten zwischen drei und 12 Jahren. M. blieb regungslos auf der Bank in der Glasbox sitzen.

Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig und können angefochten werden. Die Anwältin liess das nach dem Urteil noch offen. Bereits angekündigt hatte sie aber, eine Verbüssung der Strafe in der Schweiz zu beantragen. Ein solcher Transfer wäre nach Ablauf der Sicherheitshaft möglich, beide Staaten müssten einverstanden sein.

Tagesschau, 15.01.2021, 19:30 Uhr

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