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Testen statt impfen Bundesrat macht Antikörpertests salonfähig – ein Eigentor?

Seit Corona testet Claudia Meier ihre Kundinnen – auf das Virus und auf Antikörper dagegen. Besonders gefragt im Moment in ihrer Apotheke in Gossau (SG): Antikörpertests. Diese weisen nach, ob jemand Corona hatte. «Das Potenzial der Antikörper haben wir in den Apotheken schon früh erkannt. Man weiss nach dem Antikörpertest, ob man mit dem Virus Kontakt hatte», sagt Claudia Meier.

Der Bundesrat will den Zugang zum Zertifikat auch für jene Genesenen öffnen, die ihre Erkrankung nicht mit einem PCR-Test nachweisen können. Das sei eine gute Sache, sagt Meier.

Antikörper- statt Coronatest

Am Freitag kommen in Meiers Apotheke jeweils viele Junge vorbei. Denn ohne negativen Coronatest kein Ausgang. Antikörpertests würden für einige die Coronatests wohl überflüssig machen. Denn viele sind überzeugt, das Virus bereits gehabt zu haben. Sie können die Infektion aber nicht mit einem PCR-Test belegen.

So wie Janis Buob (20): «Ich habe sicher mal Corona gehabt. Aber ich habe das nicht bestätigt, da ich keine Symptome hatte. Ein Antikörpertest wäre einiges einfacher als jede Woche ein Coronatest.» Wegen der neuen Testmöglichkeiten ist für viele klar: Die Impfung kann warten.

Blutentnahme für Antikörpertest
Legende: Für einen Antikörpertest wird am Finger etwas Blut entnommen. Keystone

Ständeratspräsident kritisiert Bundesrat

Antikörpertests als Ersatz für die Impfung: Ständeratspräsident Alex Kuprecht (SZ/SVP) findet das überhaupt nicht sinnvoll. Mit dem neuen Zertifikat untergrabe der Bundesrat seine 100 Millionen Franken teure Impfoffensive, so der Gesundheitspolitiker: «Ich betone immer wieder, was man von den Fachleuten hört. Der Ausweg aus der Pandemie, die Lockerung dieser Massnahmen, führt über die Impfung. Wir müssen schauen, dass der Bundesrat diese Impfstrategie durchzieht und nicht wieder ein neues Element reinbringt.»

«Potenzial unbedingt nutzen»

Laborinhaber Claude Rothen analysiert die Proben für Apotheken und Ärzte. Er spricht von einem Boom der Antikörpertests: «In der Schweiz gibt es rund eine Million Genesene. Sie alle sind potenzielle Kandidaten für ein solches Zertifikat.»

Experten kritisieren, die Aussagekraft dieser Antikörpertests sei sehr beschränkt. Rothen kann diese Einwände nicht verstehen: «Wir können sagen, ob jemand krank war oder geimpft ist. Ja, wie gut geschützt jemand ist. Diese Tests erlauben diese Aussagen. Das ist ein Potenzial, das man unbedingt nutzen muss.»

Laborinhaber Claude Rothen empfiehlt Senioren, vor der Booster-Impfung einen Antikörpertest zu machen. «Ein Booster kann für jemanden, der schon eine hohe Antikörperkonzentration hat, gefährlich sein.»

Dem widerspricht Rudolf Hauri, Präsident der Vereinigung der Kantonsärzte, dezidiert: «Wäre ein Booster bei vielen Antikörpern gefährlich, gäbe es entsprechende Vorbehalte von der Zulassungsbehörde Swissmedic oder der Eidgenössischen Impfkommission.» Ausserdem: Ein Antikörpertest vor der Impfung sei nicht angezeigt. Man wisse bislang nicht, wie viele Antikörper es brauche, um genügend vor einer Infektion geschützt zu sein.

Apothekerin Meier gibt sich pragmatisch: «Wichtig ist, dass die Immunität steigt. Auf welche Art das passiert – weil jemand geimpft ist oder dem Virus ausgesetzt war – das spielt am Schluss keine Rolle.»

SRF Rundschau, 03.11.2021, 20:05 Uhr

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