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Teurer Weizen wegen Krieg Markus Ritter: «Wir müssen unsere Verantwortung wahrnehmen»

Die Ukraine wird die «Kornkammer Europas» genannt. Wegen des Krieges drohen Ernte-Ausfälle – und höhere Preise. Deshalb fordert die SVP eine «Anbauschlacht» wie im Zweiten Weltkrieg, auch auf Kosten der Biodiversität. Bauernverbands-Präsident Markus Ritter verteidigt die Forderung im Interview.

Markus Ritter

Präsident Schweizer Bauernverband

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Der St. Galler Markus Ritter ist Nationalrat (Die Mitte) und seit 2012 Präsident des Schweizer Bauernverbands.

SRF News: Herr Ritter, glauben Sie, dass der Brotpreis in der Schweiz bald ähnlich in die Höhe schnellt wie zuletzt der Benzinpreis?

Markus Ritter: Nein, das glauben wir nicht. Wir haben in der Schweiz aufgrund der hohen Kaufkraft die Möglichkeit, uns auf dem Schweizer Markt, aber auch auf dem Weltmarkt einzudecken. Hier werden die Preise wohl etwas ansteigen, aber niemals so stark.

Wieso fordern Sie dann einen höheren Anbau von Getreide in der Schweiz?

Ich glaube, es ist wichtig, dass wir unsere Verantwortung wahrnehmen. Auf der einen Seite gegenüber den Leuten in Ländern mit wenig Kaufkraft, die sich das Brot kaum leisten können. Dass wir uns also nicht auf dem Weltmarkt zu einem grossen Teil eindecken müssen, sondern auch mit eigener Produktion unsere Ernährung sicherstellen können. Und auf der anderen Seite glauben wir, dass die Leute auch regionale Produkte schätzen und diese konsumieren möchten.

Wir sollten auch mit eigener Produktion unsere Ernährung sicherstellen, dass wir uns nicht auf dem Weltmarkt zu einem grossen Teil eindecken müssen.

Sie sagen, die Schweiz soll anderen Ländern weniger Konkurrenz machen. Aber aus der Ukraine und Russland bezieht die Schweiz nur etwa zwei Prozent ihres Getreides. Das klingt etwas nach Angstmacherei.

Nein – das ist auch richtig so, wir sind nicht die grossen Kunden der Ukraine und Russland. Dieses Getreide, diese Produkte gehen vor allem in den arabischen Raum, in Länder mit tiefer Kaufkraft. Aber der Weltmarkt ist ein geschlossenes System. Die Preise sind transparent. Wenn sich die Preise erhöhen, werden vor allem Menschen mit tiefem Einkommen – zwei Dollar pro Tag – Hunger leiden. Dieses Jahr könnte ein schwieriges Jahr werden und hier gilt es auch, unsere Verantwortung wahrzunehmen.

Wenn sich die Preise erhöhen, werden vor allem Menschen mit tiefem Einkommen – zwei Dollar pro Tag – Hunger leiden.

Die SVP fordert jetzt in einem Vorstoss eine Art Anbauschlacht wie im Zweiten Weltkrieg. Sie unterstützen diesen Vorstoss. Dabei ist der Selbstversorgungsgrad bei Nahrungsmitteln momentan bei 57 Prozent, das ist etwa so hoch wie am Ende des Zweiten Weltkriegs.

Wir importieren sehr viele Lebensmittel, über 40 Prozent müssen wir importieren. Und bei diesem Vorstoss geht es vor allem darum, dass wir unsere Produktion erhalten, innerhalb der Nachhaltigkeit. Das ist sehr wichtig, wir wollen eine nachhaltige Landwirtschaft, wo eben Produktion, Ökologie und soziales Engagement im Einklang stehen. Und hier geht es darum, der Produktion auch den notwendigen Stellenwert in dieser schwierigen Zeit zu geben.

Jetzt sagen Sie, sie wollen eine nachhaltige Landwirtschaft. Aber der Vorstoss fordert ja gerade, dass die Biodiversitäts-Förderflächen zurückgehen sollen, nicht weiter ausgebaut werden sollen. Dabei machen die eigentlich nur 3.5 Prozent der Ackerflächen aus.

Wir haben in der Schweiz 18 Prozent Biodiversitäts-Förderflächen am gesamten Kulturland. 18 Prozent, da sind wir weit über den sieben Prozent, die wir haben müssten – gemäss den Vorgaben des Bundes.

Dort, wo wir Brot produzieren können, Weizen produzieren können, sollten wir das auch tun.

Jetzt liegt ein Vorschlag des Bundesrats auf dem Tisch, dass auf den besten Böden, den Ackerböden, nochmals 3.5 Prozent ausgeschieden werden müssten. Das finden wir in der heutigen Zeit nicht richtig. Dort, wo wir Brot produzieren können, Weizen produzieren können, sollten wir das auch tun.

Es geht jetzt spezifisch um die Ackerflächen. Und da reden wir von 3.5 Prozent, gegen die Futtermittelflächen, das sind fast 50 Prozent der Ackeranbauflächen. Also eigentlich wäre es einfach: Man isst weniger Fleisch, dann kann sich die Schweiz auch besser selbst versorgen.

Ich glaube es ist wichtig, dass wir die Konsumenten akzeptieren, mit ihren Bedürfnissen. Wir können nur das produzieren, was die Konsumenten nachfragen. Und da richten wir uns auch auf diese Bedürfnisse aus.

Wenn es jetzt aber einen Ausbau geben soll von der Getreideproduktion, dann braucht es auch mehr Dünger. Und gerade beim Dünger ist die Schweiz am stärksten von Russland abhängig. Wir importieren über 50 Prozent des Kunstdüngers aus Russland. Da sollte man sich doch gerade unabhängiger machen.

Ja, das sind wir auch zu einem grossen Teil, weil wir viel Hofdünger haben, also Mist und Gülle aus der Tierhaltung. Da sind wir sehr stark. Und da dürfen wir auch stolz sei. Wir wollen diese Hofdünger auch besser und gezielter einsetzen.

Wenn die russischen Dünger fehlen, wird die Produktion nicht nur in der Schweiz, sondern auch in grossen Ländern, die viele Lebensmittel produzieren, deutlich zurückgehen. Und das wird wahrscheinlich ein Engpass sein in diesem Jahr.

Die Ergänzung mit Mineraldünger ist vor allem im Bereich des Stickstoffs wichtig, da ist Russland sehr stark, weil es da viel Gas für die Produktion dieses Stickstoffdüngers braucht. Und wenn diese Dünger fehlen, wird die Produktion nicht nur in der Schweiz, sondern auch in grossen Ländern, die viele Lebensmittel produzieren, deutlich zurückgehen. Und das wird wahrscheinlich ein Engpass sein in diesem Jahr.

Aber jetzt fordert der Bundesrat ja genau, dass man den Dünger zurückfährt. Und das wollen Sie bekämpfen, mit dem Bauernverband? 

Wir wollen einfach nicht 20 Produzent reduzieren, wie der Bundesrat das möchte, sondern die realistischen 10 Prozent. Da wissen wir auch, wie wir das tun können. Wir müssen so viel düngen, wie die Pflanzen brauchen, und nicht mehr. Und dort gilt es diesen Pflanzen die Nährstoffe zur Verfügung zu stellen, dass sie gut wachsen, gute Erträge bringen. Und das ist gerade in der jetzigen Zeit sicher wichtig.

Das Gespräch führte Larissa Rhyn.

15.3.2022, Tagesschau, 18 Uhr ; 

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