Zum Inhalt springen

Tierversuche im Visier Faltenfreiheit auf Kosten von Mäusen

Das Geschäft mit Botox boomt. Was dabei vergessen geht, ist das Leid der Mäuse. Um das Nervengift Botox herzustellen, wird dessen Wirksamkeit an Mäusen getestet. Dadurch verenden weltweit Hunderttausende Nager qualvoll.

Volle Lippen oder schöne, glatte Haut – der Wunsch nach dem Idealkörper ist in der Schweizer Bevölkerung immer weiter verbreitet. Es gibt keine Zahlen darüber, wie viel Botox in der Schweiz gespritzt wird. Aber die Nachfrage sei stark gestiegen, so Christian Köhler, Geschäftsführer von Prevention Center, einer Schönheitsklinik. «Der Trend nimmt in den letzten 30 Jahren immer mehr zu und das wird auch so bleiben.»

Der Trend zur glatten Haut hat aber eine bedrückende Seite: Das Medikament Botulinumtoxin, also Botox, wird von Bakterien produziert. Deshalb muss bei jeder Herstellungscharge getestet werden, ob die Konzentration stimmt. Meistens geschieht dies an Mäusen. Undercover-Aufnahmen einer Tierschutzorganisation aus England zeigen, wie den Mäusen Botox für den sogenannten LD50-Test gespritzt wird. Innert vier Tagen muss die Hälfte tot sein. Nur dann stimmt die Dosis.

Ob der Geschäftsführer von Prevention Center ein schlechtes Gewissen hat? «Man setzt sich schon damit auseinander. Ich habe selbst die Ausbildung zum Tierversuchsleiter. Von daher weiss man natürlich auch, worum es geht», sagt Köhler. Im Verlauf der letzten 15 Jahre habe sich aber sehr viel verändert und das sei ein wichtiger Aspekt.

Zellbasierte Tests als Alternative

Tatsächlich haben die drei grossen Herstellerfirmen, die auch in der Schweiz aktiv sind, zellbasierte Tests entwickelt. Diese sind seit einigen Jahren in der EU und der Schweiz zugelassen. Der LD50-Test ist jedoch ebenfalls legal und wird noch immer angewendet. Das, obwohl er laut dem Schweizer Tierschutz besonders schlimm sei: «Der LD50-Test gehört bei den Tierversuchen zum Schweregrad drei, also zum schwersten Schweregrad. Die Tiere ersticken beim Test grausam – bei vollem Bewusstsein, am lebendigen Leib sozusagen», sagt Julika Fitzi, Leiterin Fachstelle Tierversuche, Schweizer Tierschutz STS.

Laut Tierschützern soll in der EU an mehreren hunderttausend Mäusen pro Jahr getestet werden. Konkrete Zahlen gibt es nur wenige – auch nicht von den Herstellern. So starben etwa 2021 in Deutschland 22'400 Mäuse nur für Botox. In Irland sind es mit über 100'000 Mäusen für die Produktion von Botox und vergleichbaren Toxinen deutlich mehr, doch die Anzahl sinkt in den letzten Jahren. In Irland produziert der Marktführer Allergan, der als erster Hersteller das alternative Verfahren entwickelt hat.

Tierschutz hat kein Verständnis

Auf Anfrage von SRF nimmt weder Allergan noch ein anderer Produzent Stellung, ob und wie viele Tierversuche sie aktuell durchführen. Dem Tierschutz sind die Verbesserungen aber noch zu wenig: «Grundsätzlich ist es natürlich eine Verbesserung, dass es diese Zellmethoden gibt, aber solange der Tierversuch erlaubt ist, und nicht wirklich die Pflicht besteht, mit Alternativen zu testen, frage ich mich natürlich schon, wo da der Sinn ist», sagt Fitzi vom Schweizer Tierschutz STS.

In der Pflicht seien nicht nur die Hersteller, sondern auch Kundinnen und Anbieter. Köhler von Prevention Center sagt zur Aufforderung: «Wir arbeiten mit dem Hersteller zusammen, der als erster das Verfahren entwickelt hat, dass man keine zusätzlichen Tests nach dem Initialtest mehr braucht. Beim Einkauf von Produkten sollte darauf geachtet werden.»

Das Geschäft mit Botox boomt – doch es ist und bleibt vorerst eines, das sich kaum beschönigen lässt.

10vor10, 11.08.2023 21:50 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel