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Das Problem der Verdunstung
Aus Echo der Zeit vom 04.08.2022. Bild: Keystone/ Urs Flueeler
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Trockenheit und Hitze Warum die Verdunstung ein unterschätzter Klimatreiber ist

Die dritte Hitzewelle ist da, sie trifft auf eine bereits sehr trockene Schweiz: Verdorrte Landschaften, braune Flächen, die eigentlich grün sein sollten. Es müsste dringend mehr regnen, denken sich viele. Doch das ist nur die eine Seite: Ursache der ausgetrockneten Böden ist auch die Verdunstung, sagt Sonia Seneviratne. Sie ist Professorin für Umwelt- und Klimawissenschaften an der ETH Zürich und war eine der ersten Forscherinnen weltweit, die das Problem der Verdunstung für das Klima erkannte.

Sonia Seneviratne

Sonia Seneviratne

Klimaforscherin, ETH Zürich

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Sonia Seneviratne ist Professorin für Umwelt- und Klimawissenschaften an der ETH Zürich.

SRF News: Erleben wir momentan eine besonders starke Verdunstung?

Sonia Seneviratne: In der Tat. Unsere Messreihe in der Schweiz geht zurück bis ins Jahr 1975. Die Werte, die wir in den letzten Wochen und Monaten gemessen haben, waren die höchsten seit Messbeginn.

Wenn Wasser aus dem Boden verdunstet, verschwindet es nicht einfach – es entweicht ja in die Atmosphäre.

Das ist richtig. Das Problem ist aber: Wenn die Atmosphäre sehr trocken ist, bleibt die Feuchtigkeit dort und ist nicht wieder als Niederschlag verfügbar.

So kann man Verdunstung messen

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Legende: Lysimeter im deutschen Kittendorf. Wikicommons

Laut der Klimaforscherin Sonia Seneviratne gibt es für die Messung der Verdunstung verschiedene Methoden. Die traditionelle Referenzmethode wird mit einem Lysimeter durchgeführt. Mit diesem Gerät wird quasi das Gewicht des Bodens gemessen; aus den Veränderungen des Gewichts kann man dann ableiten, wie viel Wasser noch im Boden ist. Wenn man das kombiniert mit Niederschlagsmessungen und Bodensickerwasser kann man berechnen, wie viel Verdunstung stattgefunden hat.

Welchen Effekt hat Verdunstung auf den Klimawandel?

Im Kontext des Klimawandels ist sie eine wichtige Variable. Einerseits, weil die Verdunstung in vielen Gebieten zunimmt, was zu verstärkter Austrocknung der Böden führt. Daten belegen eine Zunahme der Verdunstung in den trockensten Monaten des Jahres. Andererseits beeinflusst die Verdunstung die Temperatur während Hitzewellen. Denn wenn die Böden ausgetrocknet sind, gibt es kaum noch Wasser, das verdunsten könnte. Die Energie, die normalerweise die Verdunstung antreibt, erwärmt dann die Luft.

Wenn die Böden sehr trocken sind, kann dieser Effekt zu einer weiteren Erhöhung der Temperatur von etwa zwei Grad beitragen. In gewissen Fällen sind es sogar bis zu fünf Grad.

Sie waren eine der ersten, die auf diese Zusammenhänge hingewiesen hat. Warum wurde der Effekt der Verdunstung auf das Klima lange zu wenig beachtet?

Der Hauptgrund dürfte sein, dass man Verdunstung weniger sieht. Bei der Atmosphäre hat man vor Augen, wie viel Wasser als Regen fällt. Wenn man den gesamten Wasserkreislauf betrachtet, ist auch der Abfluss von Wasser sichtbar. Verdunstung an sich ist aber nicht sichtbar. Man sieht nur die Folgen davon – also wenn die Böden sehr trocken sind.

Verdunstung ist also nicht sichtbar, aber bedeutend für das Klima.

Sie ist sehr bedeutend. Wenn die Böden sehr trocken sind, kann dieser Effekt zu einer weiteren Erhöhung der Temperatur von etwa zwei Grad beitragen. In gewissen Fällen sind es sogar bis zu fünf Grad.

Kann man die Böden vor Verdunstung schützen?

Viel kann man nicht machen. Aber es gibt Methoden, um die Verdunstung zu verringern. In der Landwirtschaft kann man die Böden zum Beispiel abdecken. Das führt zu weniger Verdunstung an der Oberfläche. Die Verdunstung speist sich aus drei Quellen. Zunächst kommt sie aus den obersten Schichten der Böden, dann durch die Pflanzen als Transpiration und schliesslich findet sie an der Oberfläche statt, etwa auf Strassen oder der Oberfläche von Blättern. Man kann zwar die Verdunstung aus den obersten Bodenschichten verringern. Verdunstung durch Pflanzen findet aber weiter statt.

Nationales Frühwarnsystem für Trockenheit

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Legende: Ausgetrockneter Bergsee auf dem Albulapass während des Rekordsommers 2003. Keystone/Karl Mathis

Bis 2025 will der Bund ein landesweites Früherkennungs- und Warnsystem zur Trockenheit aufbauen. Klimaforscherin Sonia Seneviratne unterstützt das Vorhaben: «Das wäre extrem wichtig, um Risiken für extrem trockene Bedingungen zu erkennen.» Damit könne man frühzeitig reagieren und Vorbereitungen treffen, bevor man mit den fatalen Auswirkungen von Trockenperioden konfrontiert sei, so die ETH-Forscherin.

«Deshalb ist es auch sehr wichtig, dass man die Bodentrockenheit und die Verdunstung misst.» Denn, wenn man eine Übersicht über die Wasserressourcen habe, könne man frühzeitig handeln. Seneviratne nennt konkrete Gegenmassnahmen: Böden können im Voraus bewässert werden, Wasser kann gezielt eingespart werden oder Böden können abgedeckt werden, um die Verdunstung zu reduzieren.

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Aus dem Archiv: Bund will Frühwarnsystem für Trockenheit einführen
Aus Tagesschau vom 20.05.2022.
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Die Böden sind derzeit sehr trocken. Wie viel Regen bräuchte es, damit sie sich wieder erholen?

Es müsste mehrere Tage, vielleicht sogar mehrere Wochen sehr viel Regen geben, um wieder auf einen normalen Stand zu kommen. Dazu kommt: Wenn die Böden sehr trocken sind und der Niederschlag sehr intensiv ist, fliesst ein grosser Teil des Wassers direkt ab und gelangt nicht in die Böden.

Das Gespräch führte Simone Hulliger.

Echo der Zeit, 04.08.2022, 18 Uhr;

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