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Trotz Schlupflöchern Knappe, aber stabile Mehrheit fürs Waffengeschäft

Nein, einen neuen, handfesten Waffen-Exportskandal hat die Eidgenössische Finanzkontrolle EFK nicht aufgedeckt. Viele ihrer Beispiele für ganz legale Umgehungsgeschäfte – etwa mit Schweizer Radschützenpanzern oder Pistolen – sind seit Längerem bekannt.

Die Finanzkontrolle hat sich und der Öffentlichkeit nun aber einen Überblick über die zahlreichen Schlupflöcher verschafft, welche die im europäischen Vergleich eher strengen Schweizer Export-Regeln bieten. Und sie dokumentiert auf zum Teil frappante Weise die Hilfsbereitschaft der Behörden, wenn es darum geht, der Rüstungsindustrie den Weg zum passenden Schlupfloch zu weisen.

Politik trägt Verantwortung für Exportbestimmungen

Das zuständige Staatssekretariat für Wirtschaft Seco verstösst gegen keine Gesetze. Entsprechend geharnischt reagiert es auf die Kritik der Finanzkontrolle. Das ist verständlich, zumal nicht die Bundesangestellten «an der Front» die Verantwortung für Ausrichtung und Auslegung der Schweizer Waffenexportbestimmungen tragen.

Es waren freisinnige und christlich-demokratische Vorsteher des Wirtschafts-Departements, die in den letzten Jahren den Kurs bei den Waffen-Exporten gesetzt haben. Und es war der Gesamtbundesrat, der per Verordnung und «Leitentscheiden» zu besonders umstrittenen Waffen-Geschäften Schlupflöcher geschaffen und offengehalten hat.

Der Bundesrat übrigens tat dies bereits in seiner «alten» Zusammensetzung ohne FDP-Bundesrat Ignazio Cassis. Vor vier Jahren liess der Bundesrat mit dem Segen des Parlaments unter bestimmten Bedingungen neu auch Waffenexporte in Länder zu, welche die Menschenrechte systematisch verletzen.

Bundesrat will Regeln lockern

Nur selten verschärfte er die Regeln: Vor zehn Jahren, mitten im Abwehrkampf gegen die (später abgelehnte) Volksinitiative «für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten», untersagte der Bundesrat Waffenlieferungen an Bürgerkriegsländer. Exakt diese Verschärfung will der Bundesrat nun aber wieder rückgängig machen. Auch Länder, die in einen internen Konflikt verwickelt sind, sollen wieder Schweizer Waffen kaufen dürfen – wenn anzunehmen ist, dass das Kriegsgerät nicht in dem Konflikt zum Einsatz kommt.

Die neuerliche Lockerung ist so gut wie beschlossen, die Sicherheitskommissionen von National- und Ständerat haben ihr zugestimmt. Bei den Sicherheitspolitikern im Nationalrat war die Mehrheit zwar nur knapp – doch das hat Tradition. Bereits bei der Lockerung vor vier Jahren wurde es sehr knapp, damals im Plenum des Nationalrats. Am Schluss aber reichte es für eine knappe, aber stabile Mehrheit aus FDP, SVP und Teilen der (gespaltenen) CVP.

Leichtes Spiel hat die Rüstungsindustrie seit jeher im Ständerat: Dort kann sie auf klare Mehrheiten zählen. Nicht zuletzt auch aus regionalen Interessen. Sei es General Dynamics (Mowag) im Thurgau, der Bundeskonzern Ruag oder Rheinmetall (Bern, Uri, Zürich): Es geht immer auch um Standort-Politik und Arbeitsplätze.

Skandale führen nicht zu Verschärfungen

Noch etwas hat sich in den letzten Jahren gezeigt: Skandale und Enthüllungen führen zwar zu einem kurzen Aufschrei – und manchmal zu punktuellen Verschärfungen. Am politischen Kurs aber ändern sie nichts: Das war so, als vor sieben Jahren ursprünglich nach Katar gelieferte Ruag-Munition bei Kämpfern in Libyen auftauchten.

Das war so, als ein Jahr später syrische Aufständische stolz mit kistenweise Ruag-Handgranaten posierten, die ursprünglich in die Vereinigten Arabischen Emirate geliefert worden waren. Und so war es auch dieses Wochenende, als Bilder auftauchten von den wahrscheinlich gleichen Ruag-Handgranaten, die der IS in Syrien gehortet haben soll.

Kritiker von Schweizer Waffenexporten werden auch den aktuellen Bericht der Finanzkontrolle zum Anlass für Forderungen nach schärferen Regeln nehmen. Ändern aber dürfte sich – das zeigt die Erfahrung der letzten Jahre – kaum etwas. Die Rüstungsindustrie kann auf knappe, aber stabile Mehrheiten zählen.

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