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Uber-Versicherung «Das ist kein voller Arbeitnehmerschutz»

Uber stellt ein eigenes, privates Versicherungsmodell für seine Fahrer vor. Die rund 2500 Uber-Fahrer in der Schweiz sind seit gestern unter anderem gegen Unfall, Dauerinvalidität und bei Tod durch Unfall versichert. Uber spricht von «Flexibilität und Sicherheit zugleich».

Die Gewerkschaften widersprechen, es fehlten nach wie vor die Sozialversicherungen. Thomas Gächter, Professor für Sozialversicherungsrecht an der Universität Zürich, beurteilt das Modell und sagt, welche Lücken die Versicherung hat.

Thomas Gächter

Professor für Sozialversicherungsrecht

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Seit 2006 besetzt Thomas Gächter den Lehrstuhl für Staats-, Verwaltungs- und Sozialversicherungsrecht an der Universität Zürich. Ausserdem ist er Gastprofessor für Sozialversicherungs- und Gesundheitsrecht an der Universität Luzern.

SRF News: Uber sagt, diese Versicherung sei ein grosser Fortschritt, die Unia sagt, das sei noch gar nichts, wer hat recht?

Thomas Gächter: Es haben beide Seiten etwas recht. Gegenüber dem geltenden Zustand ist es ein Fortschritt, denn die Fahrer sind bisher gar nicht abgesichert. Da hat Uber recht. Allerdings hat die Gewerkschaft insofern recht, als es kein voller Arbeitnehmerschutz ist mit allen Arbeitnehmerrechten. Also insofern ist das Glas nur halbvoll aus Sicht der Unia.

Die Gewerkschaft kritisiert vor allem, dass niemand die Sozialversicherungen zahlen würde – AHV, IV, Arbeitslosenversicherung – und dies das soziale System auszuhöhlen droht.

Die Frage, wer die Sozialversicherungen bezahlt, entscheidet nicht eine Versicherungslösung von Uber, sondern das entscheidet das Gesetz. Wir haben noch kein höchstrichterliches Urteil, das sagt, wie Uber-Fahrer zu behandeln sind. Aus meiner Sicht – und die Praxis deutet darauf hin – werden sie wie Arbeitnehmer behandelt. Das heisst, sie werden in den Versicherungen wie AHV, IV und berufliche Vorsorge versicherungspflichtig. Zusammen mit dieser Versicherungspflicht ist es ein sehr sinnvolles Modell, das Uber jetzt vorschlägt.

Im Modell von Uber haben Fahrer jedoch keinen Anspruch auf Ferien oder Mutterschaftsurlaub?

In der Tat ist es so, dass Uber-Fahrer sich etwas atypisch verhalten. Es sind keine normalen Arbeitnehmer. Rechtlich würde man sie als sogenannt «arbeitnehmerähnliche Personen» qualifizieren. Gewisse Dinge – zum Beispiel Ferienansprüche – ergeben wenig Sinn, wenn Arbeitnehmer selbständig über die Zeit verfügen und selber entscheiden, ob sie arbeiten wollen. Gewisse Elemente des Arbeitnehmerschutzes machen im konkreten Rechtsverhältnis mit Uber-Fahrern fast keinen Sinn.

Viele weitere Plattformen warten auf den Markteintritt in der Schweiz. Wäre dieses Modell von Uber denn zukunftsträchtig für die soziale Absicherung von Plattform-Arbeitern?

Das Modell, das Uber vorschlägt, ist dann zukunftsträchtig, wenn es kombiniert wird mit den gesetzlichen Sozialversicherungen. Dann deckt es die Arbeitgeberpflichten einigermassen gut ab und ist zusätzlich abgesichert durch den Grundschutz. In Kombination mit sozialversicherungsrechtlicher Absicherung wäre das Uber-Modell eine taugliche Lösung auch für künftige Plattformen.

Das Arbeitsgericht Lausanne hat jedoch Uber-Fahrer als Arbeitnehmer eingestuft – mit allen Pflichten.

Das Arbeitsgericht Lausanne hat Fahrer als Arbeitnehmer qualifiziert, und hat damit eigentlich eine klassische Qualifikation vorgenommen und die Fahrer mit all ihren atypischen Elementen Arbeitnehmern gleichgestellt. Jetzt wird das höchste Gericht noch klären müssen, ob das tatsächlich passt. Wenn mit so einem Fahrerverhältnis alle Arbeitgeberpflichten verbunden sind, dann verteuert das die Dienstleistung enorm.

Das Gespräch führte Claudia Badertscher.

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