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Christine Schraner Burgener: «Wir wollen Kantone und Städte nicht ungleich belasten»
Aus 10 vor 10 vom 05.05.2022.
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Ukrainerinnen in der Schweiz Lässt man Private mit den Geflüchteten im Stich?

Die Verteilung der Flüchtlinge sowie deren Unterbringung sind nicht nur für Helfer und Helferinnen eine Herausforderung, sondern auch für Christine Schraner Burgener, die Chefin des Staatssekretariats für Migration (SEM). Gegenüber SRF nimmt sie Stellung – vor allem auch zur Kritik, Personen, die Frauen und Kinder aus der Ukraine aufnehmen, würden im Stich gelassen werden.

Christine Schraner Burgener

Christine Schraner Burgener

Vorsteherin des Staatssekretariates für Migration

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Christine Schraner Burgener ist seit Anfang 2022 Vorsteherin des Staatssekretariats für Migration (SEM). Zuvor war die Diplomatin Schweizer Botschafterin in Thailand (2009-2015) und – als erste Frau auf diesem Posten – Botschafterin in Deutschland (2015-2018). Von 2018 bis 2021 amtete sie als UNO-Sondergesandte für Myanmar.

SRF News: Private, die ukrainische Geflüchtete aufgenommen haben, sagen, sie würden von den Behörden im Stich gelassen, es sei ein riesiger Organisations-Marathon. Was sagen Sie dazu?

Christine Schraner Burgener: Es ist natürlich für alle eine Riesenherausforderung. Es ist das erste Mal seit dem Zweiten Weltkrieg, dass wir so viele Migranten auf ein Mal haben. Wir haben innerhalb von sieben Wochen fast 47’000 Leute registriert. Das heisst, rund 1000 pro Tag und das an sieben Tagen. Wir haben versucht, die Bevölkerung sofort zu informieren: Wir haben eine Webseite, die auch auf Ukrainisch aufgeschaltet wurde, zudem gibt es auch eine Hotline und man kann uns schreiben. Aber es ist klar: Für diejenigen, die jemanden aufnehmen, ist es schwierig, sich zuerst mal zurechtzufinden und es ist eine Herausforderung als Gastgeber.

Der Föderalismus erweist sich als grosse Herausforderung. An was für Lösungen arbeiten Sie?

Wir haben den Sonderstab Asyl, den der Bundesrat eingesetzt hat, und den ich leite. Da sind alle Kantone vertreten, aber auch Städteverband und Gemeinden. Bis jetzt haben wir uns einmal pro Woche getroffen und diskutieren die Probleme zusammen. Am Anfang hatte es geheissen: Wir sind froh, dass wir private Unterkünfte haben. Und in Einvernahme mit den Kantonen hat man dies auch so gemacht.

Diejenigen, die schon an einem Ort untergebracht sind, können dort bleiben.

Inzwischen hat es 12 Kantone, die dies nicht mehr wollen. Alle wollten, dass man wieder zum Verteilschlüssel zurückkehrt, den wir immer anwenden, auch bei den Asylgesuchstellenden. Nun haben wir diesen Verteilschlüssel angewendet und es gibt vielleicht manchmal Enttäuschungen, weil nun eben nach Kantonsschlüssel eingeteilt wird.

Viele Geflüchtete wollen in die Städte, weil sie dort schon Leute kennen, Freunde, Familie haben. Aber es wird eng in den Städten. Wie regeln Sie diesen Spagat?

Wir wenden den Verteilschlüssel nicht rückwirkend an. Das heisst, diejenigen, die schon an einem Ort untergebracht sind, können dort bleiben. Und diejenigen, die sich neu registrieren und bei Familienangehörigen sein wollen, die lassen wir auch dort. Wir reissen keine Familien auseinander. Wenn die Kinder schon eingeschult sind, können sie natürlich auch dort bleiben. Bei den anderen Personen schauen wir von Fall zu Fall, ob es Gründe gibt, für den Ort, an den sie gehen wollen. Aber wenn jemand beispielsweise sagt, in Basel-Stadt gefällt es mir besser als in Glarus, dann reicht dies nun eben nicht mehr aus; damit die Kantone und Städte nicht ungleich belastet werden.

Vor allem von linker Seite, aber auch von Geflüchteten aus anderen Ländern, kommt die Kritik, der Schutzstatus S stelle eine Sonderbehandlung für Ukrainerinnen und Ukrainer dar. Wie rechtfertigen Sie dies?

Der S-Status wurde 1995 nach dem Ex-Jugoslawienkonflikt eingerichtet, um eben genau solche Kriegsvertriebene unterzubringen. Denn wenn man jetzt 47’000 Personen in Asylzentren aufnehmen und 140 Tage ein Asylverfahren machen müsste, wäre das System kollabiert. Darum ist der S-Status ideal für Kriegsvertriebene. Aber er ist eben auf Rückkehr ausgerichtet. Das heisst, sie müssen dann irgendwann wieder zurück.

Wir haben den S-Status zum ersten Mal angewendet und wir werden sicher schon bald eine Evaluation durchführen.

Die anderen Personen durchlaufen das Asylverfahren und wenn sie kein Asyl erhalten, aber nicht zurückgehen können, dann erhalten sie eine vorläufige Aufnahme. Die vorläufige Aufnahme ist in etwa, von den Bedingungen her, ähnlich wie der S-Status. Aber es ist uns auch klar: Wir haben den S-Status zum ersten Mal angewendet und wir werden sicher schon bald eine Evaluation durchführen, um zu schauen, wie der S-Status bisher gegriffen hat, wie er im Vergleich zu anderen ist. Da gibt es sicher noch weitere Diskussionen.

Das Gespräch führte Bigna Silberschmidt.

10vor10, 05.05.2020, 21:50 Uhr;

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