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Umsetzung Pflegeinitiative Grosse Unterschiede zwischen Kantonen im Kampf gegen Pflegemangel

Ein Vergleich der Kantone zeigt: Die Ausbildungsoffensive für mehr Pflegefachleute verläuft vielerorts stockend.

35 Millionen Franken will die Solothurner Regierung zusätzlich investieren in die Ausbildung von Pflegekräften. 20 Prozent mehr Abschlüsse und Diplome sind das Ziel. «Der Bedarf wird in Zukunft noch steigen», sagte Gesundheitsdirektorin Susanne Schaffner an einer Medienkonferenz am Dienstag, auch mit Blick auf die Alterung der Gesellschaft.

Der Kanton Solothurn will Quereinsteigerinnen in Pflegeberufe künftig Stipendien zahlen, damit sie sich die Ausbildung leisten können. Auch Spitäler, Heime und Spitex-Organisationen sollen Beiträge erhalten, wenn sie Personal ausbilden. Und die Gebühren an der Höheren Fachschule für Pflege in Olten sollen sinken. Damit will die Kantonsregierung die Pflegeinitiative umsetzen. Das Schweizer Stimmvolk hatte diese 2021 deutlich angenommen. Allerdings: Noch ist in Solothurn nichts entschieden.

So soll die Pflegeinitiative umgesetzt werden

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  • Das Anliegen der Pflegeinitiative: Im November 2021 sagte die Schweizer Stimmbevölkerung mit über 60 Prozent Ja zur Initiative «Für eine starke Pflege». Der neue Verfassungsartikel verlangt, dass Bund und Kantone die Pflege als wichtigen Bestandteil der Gesundheitsversorgung anerkennen und fördern. Sie sollen für die Ausbildung von genügend Fachpersonal sorgen und die Arbeitsbedingungen im Pflegebereich verbessern.
  • Deshalb soll die Pflege gestärkt werden: Hintergrund der Forderung ist, dass die Schweiz nicht genügend eigenes Pflegepersonal ausbildet. Die Abhängigkeit des Gesundheitssystems von Fachkräften aus dem Ausland ist hoch. Ausserdem verlassen viele Fachkräfte den Beruf wegen Überlastung.
  • So ist die Umsetzung geplant: Der Bundesrat versprach nach Annahme der Initiative eine rasche Umsetzung. In einem ersten Schritt sollen Bund und Kantone zügig eine Ausbildungsoffensive für neues Pflegepersonal lancieren. In einer zweiten Etappe geht es mittelfristig darum, die Arbeitsbedingungen im Pflegebereich zu verbessern.
  • Das leistet der Bund: An allen diesen Massnahmen beteiligt sich der Bund finanziell, sofern die Kantone die Grundlagen dafür schaffen. Ab Mitte 2024 schüttet der Bund seine Unterstützungsbeiträge aus.

Das Kantonsparlament muss diese Massnahmen und vor allem das nötige Geld nämlich zuerst bewilligen. Es wird wohl im Herbst oder Winter über die Ausbildungsoffensive entscheiden.

Auch in anderen Kantonen versprechen die Regierungen Massnahmen im Kampf gegen den Fachkräftemangel in der Pflege. Im Aargau beispielsweise soll es künftig ebenfalls Stipendien geben für Pflegefachleute in Ausbildung. Allerdings: Auch hier fehlen noch wichtige politische Entscheidungen. So ist zum Beispiel noch kein Geld bewilligt.

Fachleute kritisieren die Kantone

Gesamtschweizerisch verläuft die Ausbildungsoffensive denn auch schleppend. Ein bisher wenig beachteter Expertenbericht kommt zum Schluss: In einem Grossteil der Kantone bestehen noch hohe Hürden für die erfolgreiche Umsetzung der Pflegeinitiative. Im Auftrag des Bundes haben externe Fachleute untersucht, wie weit die Kantone mit den Grundlagen sind für die Umsetzung der Initiative.

Die Auswertung deckt grosse Unterschiede zwischen den Kantonen auf. Vor allem zeigt der Bericht, dass die Ausbildungsoffensive in vielen Kantonen wohl nicht so schnell anläuft, wie es nötig wäre. Ab Mitte 2024 könnten die Kantone beim Bund nämlich Geld beantragen für die Umsetzung der Massnahmen. Damit sie das können, müssen sie aber selbst gesetzliche Grundlagen schaffen.

Die Solothurner Regierung tut dies und rechnet deshalb mit den entsprechenden Bundesgeldern: Voraussichtlich 15 Millionen Franken kämen aus Bern – also fast die Hälfte der Ausgaben. In Solothurn soll das kantonale Gesetz zur Pflegeinitiative am 1. Juli 2024 in Kraft treten.

Nur drei Kantone sind schon bereit

19 Kantone sind davon aktuell noch weit entfernt. Bei ihnen braucht es laut Fachbericht noch «erheblichen Aufwand». In diesen Kantonen müssen also zum Beispiel noch Gesetze angepasst oder neu geschaffen werden, damit es Bundesbeiträge gibt. Nur drei Kantone (BE, VS, TI) erfüllen schon jetzt alle Voraussetzungen, in zwei weiteren (ZH, SH) braucht es nur noch eine einzelne Anpassung.

Hintergründe zur Erhebung und zum Bericht

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Im Namen des Bundesamtes für Gesundheit untersuchten externe Fachleute, wie es in den einzelnen Kantonen um die Grundlagen für die Umsetzung der Pflegeinitiative steht. Die Daten und Angaben dazu wurden im Sommer 2022 gesammelt. Zum Teil haben Kantone in der Zwischenzeit bereits weitere Massnahmen getroffen.

Für den Bericht wurden Gespräche mit kantonalen Fachpersonen geführt und Daten zur kantonalen Gesetzgebung zusammengetragen. Als Resultat liefert der Bericht einen Überblick, wo die Kantone bei der Umsetzung der ersten Etappe der Pflegeinitiative stehen.

Der Originalbericht findet sich hier .


Ab Mitte 2024 gibt es Geld aus Bern für die Kantone. Allerdings nur acht Jahre lang. Jede Verzögerung führt also dazu, dass die Kantone weniger Mittel abschöpfen können. Es wäre also im Interesse der Kantone selbst, dass sie an Tempo zulegen. Und die Zeit drängt sowieso, wenn sich der Fachkräftemangel in der Pflege nicht noch weiter zuspitzen soll.

SRF1, Regionaljournal Aargau Solothurn, 04.04.2023, 17:30 Uhr ; 

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