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Umstrittene Asylentscheide Sprachliche Abklärungen bei Asylsuchenden völlig rechtens

Das Bundesverwaltungsgericht stützt die Praxis der Bundesstelle «Lingua» und weist eine Beschwerde eines Tibeters ab.

Die interne Fachstelle «Lingua» des Staatssekretariats für Migration ist dafür zuständig, die Herkunft von Asylsuchenden abzuklären. Sie kommt in jenen Fällen zum Zug, in denen die Behörden die Angaben der Asylsuchenden anzweifeln.

Dabei verlässt sich «Lingua» auf Spezialistinnen und Spezialisten, die das angegebene Herkunftsland eines Asylsuchenden gut kennen. Im Gespräch untersuchen die Fachleute die Sprachkenntnisse der Person, die das Asylgesuch gestellt hat. Sie bewerten, wie gut der Asylsuchende sein angebliches Herkunftsland kennt.

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Umstritten ist die Fachstelle, weil ihre Berichte geheim sind und sehr viel Gewicht haben. Meist stützt sich der Bund beim Asylentscheid auf die Berichte von «Lingua».

Tibeter – aber wohl nicht aus Tibet

Im konkreten Fall geht es um einen Mann, der vor fünf Jahren in die Schweiz einreiste und hier ein Asylgesuch stellte. Er machte geltend, aus Tibet zu stammen, wo er bis zu seiner Ausreise gelebt habe. Weil er sich kritisch zu China geäussert habe, hätten ihn die chinesischen Behörden gesucht. Deshalb sei er aus dem chinesisch kontrollierten Tibet geflohen.

Die Schweizer Behörden glaubten dem Mann allerdings nicht und liessen seine Herkunft abklären. Die «Lingua»-Fachstelle kam zum Schluss, dass der Mann zwar Tibeter sei, aber nicht in Tibet gelebt habe, sondern im Exil. Deshalb erhielt er kein Asyl in der Schweiz.

Beschwerden, in denen die ‹Lingua›-Abklärung angefochten wird, droht künftig eine Ablehnung.
Autor: Eliane Engeler Schweizerische Flüchtlingshilfe

Der Tibeter war mit dem Entscheid nicht einverstanden und liess von vier Tibetologie-Professorinnen und -Professoren ein Gegengutachten erstellen. Diese bemängelten das Gutachten des Bundes als ungenügend.

Nun kommt das Bundesverwaltungsgericht jedoch zum Schluss, dass die Qualität der Analysen der Bundesstelle «Lingua» nicht zu beanstanden sei. Im internationalen Vergleich arbeite die Fachstelle nach den besten Standards.

Wenig Freude bei der Flüchtlingshilfe

Kritisch beurteilt dagegen die Schweizerische Flüchtlingshilfe das Urteil. Sie könne nicht nachvollziehen, weshalb das Gericht das Gegengutachten der vier Fachleute nicht stärker berücksichtige, sagt Eliane Engeler von der Flüchtlingshilfe.

Sie befürchtet, dass das Gerichtsurteil negative Auswirkungen auf künftige Beschwerden haben werde. «Beschwerden, in denen die ‹Lingua›-Abklärung angefochten wird, droht künftig eine Ablehnung», so Engeler.

Das zuständige Staatssekretariat für Migration wollte sich nicht zum Urteil äussern. Dieses ist abschliessend und kann nicht beim Bundesgericht angefochten werden.

Im konkreten Fall dürfte eine Wegweisung allerdings schwierig umzusetzen sein: Nach China kann der Tibeter nicht ausgewiesen werden, weil er dort verfolgt werden könnte.

Ein anderes Land kommt kaum infrage, weil er ja sagt, aus Tibet zu stammen. Damit ist völlig unklar, ob und wohin er ausgeschafft werden kann.

Rendez-vous, 13.7.2023, 12:30 Uhr ; 

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