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UNO-Sicherheitsrat Die Schweiz will Sanktionierten mehr Rechte geben

Wer auf einer Sanktionsliste der UNO landet, ist sozial tot und kann sich kaum dagegen wehren. Das will die Schweiz jetzt ändern.

Bei Sanktionen denkt man derzeit automatisch an Russland. Doch auch wenn der Ukraine-Krieg die grösste Aufmerksamkeit auf sich zieht, gibt es weltweit zahlreiche weitere Kriege und Konflikte.

Karte Sanktionsregimes.
Legende: SRF

Dann tritt meist der UNO-Sicherheitsrat in Aktion und versucht, die Konfliktparteien unter Druck zu setzen, indem er Personen oder Organisationen auf Sanktionslisten setzt. Insgesamt 15 Sanktionsregimes gibt es gegenwärtig, vom Südsudan über Nordkorea bis Jemen.

Meist keine Möglichkeit, sich zu wehren

Wer auf einer Sanktionsliste landet – derzeit gegen tausend Personen oder Organisationen – ist sozial praktisch tot. Sanktionierte können nicht mehr reisen, arbeiten oder auf ihr Geld zugreifen. Obwohl die Folgen massiv sind, gibt es für die Betroffenen meist keine echte Möglichkeit, sich gegen eine Sanktionierung zur Wehr zu setzen.

Daniel Kipfer im Interview.
Legende: Laut Jurist Daniel Kipfer prüft die Ombudsperson, ob die Voraussetzungen für eine Sanktion gegen Einzelpersonen gegeben sind oder nicht. SRF

Einzige Ausnahme ist das UNO-Sanktionsregime gegen die Terrororganisationen IS und Al-Kaida. Hier schuf die UNO 2009 die Stelle einer Ombudsperson, also eine Rekurs-Instanz, an die sich wenden kann, wer sich gegen die Sanktionierung wehren will. Bis vor einem Jahr bekleidete der Schweizer Jurist Daniel Kipfer dieses Amt. Er sagt: «Die Ombudsperson führt ein Verfahren zur Überprüfung einer Sanktion. Anstelle eines Gerichts, das es auf UNO-Ebene nicht gibt.»

Lebensverhältnisse ändern sich

Ohne Grund und Schuld lande heute zwar kaum jemand auf einer UNO-Sanktionsliste. Aber teilweise stünden auch Leute seit zwanzig Jahren auf einer Liste, obwohl sie heute in komplett anderen Verhältnissen leben würden. «Dort ist eine präventive Sanktion nicht mehr gerechtfertigt», findet Kipfer.

«Und in anderen Fällen kann man sich fragen, ob es sich wirklich um Terroristen handelt. Beispielsweise ein junger Tunesier, der in Italien Pässe gefälscht hat, und ein Pass ist dann bei einer Person gelandet, die mit dem IS oder Al-Kaida verbunden ist. Das hat dann je nachdem gereicht für eine Sanktionierung.»

Auch APK fordert Änderung

Die Schweiz setzt sich jetzt dafür ein, dass das System der Ombudsperson auch bei anderen Sanktionsregimes zur Anwendung kommt. Aussenminister Ignazio Cassis warb bereits beim ersten Auftritt im Sicherheitsrat für mehr Rechtsstaatlichkeit bei den Sanktionsregimes.

Auch das Parlament fordert mehr Rechte für Sanktionierte. Pirmin Bischof, Präsident der Aussenpolitischen Kommission des Ständerats sagt: «Die Schweiz ist ein Rechtsstaat. Bei uns können sich Einzelpersonen wehren, wenn sie vom Staat unrecht behandelt werden. In der UNO ist das nicht der Fall. Einzelpersonen können dort unter die Räder kommen. Das muss man ändern.»

Erfolg für die Schweiz möglich

Doch hat die kleine Schweiz überhaupt eine Chance mit ihrem Anliegen? Sanktionsexperte Thomas Biersteker, der in Genf und Washington DC lehrt, sagt, ein Erfolg sei für die Schweiz durchaus möglich: «In privaten Gesprächen, die ich mit mindestens drei der fünf ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats geführt habe, hat sich eines positiv geäussert. Und das ist, was Sie vielleicht überraschen mag, Russland. Ein weiteres Land verfolgt derzeit keine Politik in dieser Frage, ist also nicht dagegen. Das sind die USA. Und eines ist nur wegen der Kosten besorgt, das ist Grossbritannien. Es ist also keine unmögliche Aufgabe.»

Zwei Jahre hat die Schweiz jetzt Zeit, um ihr Gewicht als temporäres Mitglied des UNO-Sicherheitsrats zu nutzen, um Sanktionierten zu mehr Recht zu verhelfen.

10vor10, 23.01.2023, 21.50 Uhr

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