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Unterirdische Notunterkunft So lebt es sich im Berner Flüchtlings-«Bunker»

100 Frauen und Kinder sind in der Zivilschutzanlage unter dem Berner Eishockeystadion eingezogen. Weitere sollen folgen.

Die Frauen sehen auf den ersten Blick aus wie eine Touristengruppe, die ihre Rollkoffer über das BEA-Expo-Gelände zieht. Doch die Ukrainerinnen checken mit ihren Kindern nicht in einem der angrenzenden Hotels ein, sondern betreten über eine lange Rampe die unterirdische Zivilschutzanlage Mingerstrasse, die sich unterhalb des Berner Eishockeystadions befindet.

Beim Eingang hängt ein «Rittyplampi», eine Schaukel, auf dem sich ein Bub nach oben schwingt. Andere Kinder spielen mit Lego. Auf einem Plakat ist mit blauer Farbe «Herzlich Willkommen» auf ukrainisch geschrieben. «Die Leute werden zuerst registriert. Dann bringen wir sie in kleinen Gruppen in separaten Zimmern unter», sagt Stefan Iseli von Schutz und Rettung Bern, welche die Schutzräume betreibt. Derzeit übernachten 100 Personen in der Anlage. Jeden Tag kommen weitere dazu.

Massenschläge für 550 Personen

Die Schutzräume bieten maximal 550 Menschen Platz. «Bei dieser Anzahl könnten wir aber natürlich nicht mehr den gleichen Komfort bieten wie jetzt», sagt Iseli. Dann müssten die Geflüchteten näher zusammenrücken. Derzeit teilen sich meist sechs Personen einen Massenschlag, der über 24 Kajütenbetten und Gepäckablagen verfügt.

Unterkunft ist Übergangslösung

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Die unterirdische Flüchtlings-Unterkunft unter dem Berner Eishockeystadion ist eine Notlösung für ankommende Schutzsuchende aus der Ukraine, die noch über keine andere Unterkunft verfügen. Laut Angaben der Stadt Bern soll die Anlage «zur Überbrückung der ersten Nächte» dienen. Dies, bis die Geflüchteten in einem zweiten Schritt regulären, oberirdischen Unterkünften zugewiesen werden können.

Iseli und sein Team arbeiten Tag und Nacht, um die Menschen nach ihrer kräftezehrenden Flucht zu unterstützen – wo es nur geht. «Viele Frauen haben praktisch nichts dabei. Sie fragen meist zuerst nach Kleidern und SIM-Karten, damit sie ihre Familie in der Ukraine anrufen können», sagt Übersetzerin Julia Frehner zum SRF-Reporter. Derzeit bleibe keine Zeit, um mit den Geflüchteten über ihre Gefühle zu sprechen.

Küche
Legende: Nach der oft tagelangen Flucht sind die Menschen erschöpft. In der Schutzanlage werden sie verpflegt. srf/christian Liechti

Was auffällt: In der riesigen Schutzanlage ist es trotz der vielen Menschen sehr ruhig. Tageslicht sucht man vergebens. Immerhin ist die Anlage, in der normalerweise Soldaten unterkommen, gut durchlüftet.

Die meisten Leute versammeln sich in jenem Raum, der über Wifi-Internet verfügt. «Viele Frauen machen sich grosse Sorgen», sagt Iseli. Denn die Männer mussten in der umkämpften Ukraine bleiben. Wenig erstaunlich, dass manche Geflüchteten in der Nacht nicht schlafen können und durch die Korridore streifen. «Sie wurden von einem Tag auf den anderen aus ihrem Leben gerissen. Da stellen sich natürlich ganz viele Fragen», so der Berner.

Nachbarn zeigen grosse Solidarität

Nach der oft tagelangen Flucht sind die Menschen erschöpft. Etwas Kraft soll ihnen das reichhaltige Essen geben. Heute steht Kartoffelstock mit Würstchen auf dem Menuplan. «Die ukrainische Küche ist ziemlich fleischhaltig. Wir versuchen, das Essen etwas ausgewogener zu gestalten», erklärt Iseli.

Spielzeug
Legende: Grosse Solidarität: Nachbarn bringen den Flüchtlings-Kindern viele Spielsachen. Keystone

Der Sohn eines Mitarbeiters bringt gerade zwei weitere Lego-Kisten für die Flüchtlingskinder. «Er ist damit nicht alleine. Wir erleben eine grosse Solidarität in der Nachbarschaft. Viele Leute kommen her und fragen, wie sie helfen können», sagt Iseli. Derweil nehmen schon die ersten Kinder die neuen Lego-Kisten in Beschlag. Immerhin die kleinen Freuden bleiben.

Regionaljournal Bern Wallis Freiburg, 18.03.2022, 17:30 Uhr

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