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Virenforscher Richard Neher zu Virenmutationen
Aus SRF 4 News aktuell vom 03.12.2021. Bild: Reuters
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Unterschiede und Parallelen Von Alpha bis Omikron: Die wichtigsten Fragen zu den Varianten

Die neue Coronavirus-Variante Omikron löst derzeit eine grosse Verunsicherung aus. Noch ist wenig zu Übertragbar- und Gefährlichkeit der Variante bekannt. Sicher aber ist, dass es nicht die letzte Coronavirus-Variante sein wird. Hier die Antworten zu den wichtigsten Fragen.

Wieso bilden sich ständig neue Viren-Varianten? «Es ist völlig normal, dass Viren – und insbesondere mRNA-Viren – mutieren, das heisst, ihr Genom durch zufällige Kopierfehler verändern», erklärt Virologe Richard Neher. Bei Sars-CoV-2 beobachtet man darüber hinaus, dass sich die Viren durch Selektion verändern. Sie häufen Veränderungen an, die es ihnen erlauben, sich schneller auszubreiten und allenfalls die Immunantwort der Menschen zu unterlaufen.

Was ist eine Immunantwort?

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  • Die Immunantwort des Körpers ist sehr komplex und besteht aus verschiedenen Teilen. Ein wichtiger Teil sind die Antikörper. Sie werden von den sogenannten B-Zellen gebildet. Sie binden an das Virus und hindern es am Eindringen in die Körperzellen. Impfstoffe regen B-Zellen zur Produktion von Antikörpern an. Hat ein Mensch genügend Antikörper und befinden sie sich in genügender Menge in den oberen Atemwegen, so ist er vor einer Ansteckung geschützt. Nach einer Weile sinkt der Antikörperpegel im Blut. Eine Ansteckung mit dem Virus stimuliert die B-Zellen und sie produzieren neue Antikörper. Dies trägt zum Schutz gegen einen schweren Verlauf bei.
  • Ein weiterer wichtiger Teil des Immunsystems sind die so genannten T-Zellen. Sie spüren vom Virus befallene Körperzellen auf und zerstören sie. Dies vermindert die Ausbreitung des Virus im Körper. Manche Mutationen einer Virenvariante führen dazu, dass ein Teil der Antikörper die Variante nicht mehr so gut oder gar nicht mehr erkennt. So kann das Virus leichter in die Körperzellen eindringen. Der Antikörperschutz verschwindet in der Regel nicht vollständig, sondern wird in unterschiedlichem Ausmass vermindert. Eine starke Antikörperproduktion kann dies zumindest teilweise ausgleichen – z.B. kann eine Boosterimpfung diesen Effekt erzielen. Selbst wenn eine Variante die Antikörper-Antwort des Immunsystems teilweise unterlaufen kann, sollte der Schutz durch T-Zellen bestehen bleiben.

Antworten von Wissenschaftsredaktor Thomas Häusler

Werden die Corona-Varianten für den Menschen immer gefährlicher? Das kann man nicht pauschal sagen, so Neher. Betrachtet man eine einzelne Infektion, sind die Varianten Alpha, Beta, Gamma, Delta nicht gefährlicher. Delta ist gefährlicher in dem Sinne, dass sie sich schneller ausbreitet und damit zu mehr Infektionsfällen in kürzerer Zeit führt. Doch sie führt im Einzelfall nicht zu schwereren Krankheitsfällen als die anderen Varianten. 

Wieso könnte gerade Omikron gefährlicher sein? Omikron vereint eine ungewöhnliche hohe Zahl von Mutationen – allein im Spikeprotein sind es über 30. Viele davon kommen in anderen Varianten vor und sind bekannt dafür, dass sie das Virus ansteckender machen können oder ihm helfen, das Immunsystem zu unterlaufen. Allerdings könnten sich manche Mutationen auch gegenseitig behindern oder in der vorliegenden Kombination «unwirksam» sein. Manche Mutationen von Omikron waren bisher nicht bekannt. Wie sich Omikron tatsächlich verhält, müssen Experimente und die Beobachtung der Pandemie erst zeigen.

Aber: Nicht jede Variante mit Besorgnis erregenden Mutationen oder Eigenschaften setzt sich überall durch. Beispiele sind die Varianten Gamma und Beta, die das Immunsystem etwas unterlaufen. Sie tauchten ursprünglich in Brasilien respektive Südafrika auf und verbreiteten sich zeitweise regional, konnten sich aber nie weltweit durchsetzen.

Was sind Spikeproteine?

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Das Sars-CoV-2-Virus besitzt einen Typ eines Spike- oder Stachelproteins. Es sitzt in grosser Zahl auf der Oberfläche des Virus und bindet an ein Protein, das manche Zellen des menschlichen Körpers auf der Oberfläche tragen (der so genannte ACE2-Rezeptor). Mit dieser Bindung beginnt das Virus, in die Körperzelle einzudringen.

Wieso sind die Mutationen am Spikeprotein so heikel?
Manche Mutationen am Spikeprotein führen dazu, dass der Spike seinen Gegenpart auf der menschlichen Zelle, den ACE2-Rezeptor, besser erkennt. Dadurch kann das Virus besser in die Zelle eindringen und sich vermehren. Andere Mutationen am Spike verbessern den Mechanismus des Eindringens. Ein anderer Typ von Mutationen führt dazu, dass die Antikörper des menschlichen Immunsystems nicht mehr so gut binden können. Dadurch kann die Immunabwehr teilweise unterlaufen werden. Dies kann die Wirksamkeit von Impfstoffen reduzieren und/oder Genesene können leichter wieder infiziert werden.

Antworten von Wissenschaftsredaktor Thomas Häusler

Wie werden diese Varianten und allfällige neue beobachtet? Neu auftauchende Varianten werden untersucht. Zugleich wird alles unternommen, um die weitere Ausbreitung am Ort der Entdeckung zu verhindern oder zu verzögern. Bei Omikron scheint die Ausbreitung trotzdem rasant vonstatten zu gehen. Entsprechend erwarten wir nicht, sie noch aufhalten zu können. Doch je mehr Zeit man hat, ihre Eigenschaften herauszufinden, umso gezielter kann man darauf reagieren.

Müssen wir mit vielen weiteren Varianten von Sars-CoV-2 rechnen? Es ist tatsächlich zu erwarten, dass es weitere Varianten dieses Coronavirus geben wird. Allerdings ist schwer abzuschätzen, welche Eigenschaften sie haben werden. Omikron ist aus dem Nichts mit einer Mutations-Konstellation aufgetaucht, die man vorher noch nirgends gesehen hat. Man glaubt denn auch nicht, dass man bereits das gesamte Spektrum der Änderungsmöglichkeiten dieses Virus gesehen hat. Auch andere Viren entwickeln sich ständig weiter – deshalb muss etwa auch gegen die Grippeviren alle Jahre der Impfstoff angepasst werden. Das Grippevirus wird durch die Mutationen nicht gefährlicher. Aber es verändert sich derart, dass es Menschen erneut anstecken kann.

Richard Neher

Richard Neher

Biophysiker

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Der Biophysiker Richard Neher erforscht an der Universität Basel die Entwicklung von Viren und Bakterien. Er ist Teil der Corona-Taskforce des Bundes.

SRF 4 News, 03.12.2021, 11:10 Uhr;

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