Im Saal des Zuger Kantonsrats herrscht schnell einmal dicke Luft, es braucht dafür nicht einmal eine besonders hitzig geführte Debatte. Es genügt, wenn alle 80 Parlamentarierinnen und Parlamentarier in ihren eng bestuhlten Pultreihen sitzen, dazu die fünf Mitglieder der Regierung, die Angestellten der Staatskanzlei, die Medienschaffenden.
Gerade im Sommer steigt die Raumtemperatur dann schnell an, es wird stickig. Werden die Fenster geöffnet, gelangt zwar frische Luft in den Saal – gleichzeitig aber auch so starker Verkehrslärm, dass die Voten kaum mehr zu verstehen sind.
Für SVP-Kantonsrat Philip C. Brunner ist darum klar: «Es ist an der Zeit, sich Alternativen für diesen Saal zu überlegen.» Alles sei zu eng, Besprechungszimmer für die Fraktionen gebe es keine, Besucherinnen und Besucher müssten sich auf eine Bank in einer Ecke quetschen. «Unsere Infrastruktur genügt einem modernen Ratsbetrieb nicht mehr», sagt Brunner.
Es ist an der Zeit, sich Alternativen für diesen Saal zu überlegen.
Er ist nicht das einzige Parlamentsmitglied, das so denkt: Seinen Vorstoss, die Regierung solle die Realisierung eines «neuen und multifunktional nutzbaren» Saals prüfen, haben Angehörige aus allen Parteien unterschrieben.
Saal zeugt von 150 Jahren Parlamentsgeschichte
Die Kritik am Kantonsratssaal kommt ausgerechnet jetzt, wo der Kanton Zug diesen eigentlich feiern möchte. Vor 150 Jahren nämlich fand hier die erste Parlamentsdebatte statt, im damals neu erbauten Regierungsgebäude. Der Kantonsrat verliess 1873 die Räumlichkeiten des mittelalterlichen Zuger Rathauses und zog in den neu errichteten Prachtbau direkt am Seeufer.
Konservative und liberale Parlamentarier sassen sich damals auf gepolsterten Sitzbänken gegenüber, nach dem Vorbild des britischen Parlaments. Erst Ende der 1930er-Jahre wurde ummöbiliert auf die heutige Hörsaal-Bestuhlung - die Politiker empfanden es als mühsam, stets über ihre Kollegen klettern zu müssen, um zu ihren Plätzen zu gelangen.
Umbauten und Renovationen gab es immer mal wieder, doch Grundlegendes wurde am Saal – der mittlerweile auch denkmalgeschützt ist – nicht verändert. Eine elektronische Abstimmungsanlage ist praktisch das einzige Zugeständnis an die Moderne. Dafür atmet der Saal 150 Jahre Parlamentsgeschichte.
Ausgerechnet die konservative SVP will neuen Saal
Das sieht auch Philip C. Brunner so: «Klar, irgendwie hänge ich an dem Saal, wie viele andere auch», sagt er. Dass ausgerechnet er, als Vertreter der konservativen SVP, den Auszug aus dem historischen Saal anregt, erstaunt ihn selber: «Das hätte ich vor einigen Jahren auch nicht gedacht.»
Was ihm und anderen Ratsmitgliedern aber die Augen geöffnet habe, sei der Ratsbetrieb während der Pandemie gewesen. Das Kantonsparlament tagte in dieser Zeit in einer Dreifachturnhalle der Kantonsschule, wo es alles gab, was im alten Saal fehlt: genügend Platz, ein eigenes Pult für alle, gute Akustik, grosse Leinwände, um Pläne oder Bilder zu projizieren.
«Wir arbeiten heute anders als frühere Parlamentsmitglieder, wir brauchen darum auch einen Saal, der uns dies ermöglicht», sagt Philip C. Brunner. «Plakativ gesagt: Am besten wäre es, ein neues Parlamentsgebäude zu bauen.»
Die Zuger Kantonsparlament hat Brunners Vorstoss noch nicht behandelt. Er selber glaubt auch nicht, dass er einen neuen Saal noch erlebt. Aber, sagt er: «Man darf auch mal visionär sein.»