Bärti Jütz singt aus voller Kehle: «Zogä am Bogä dr Landammä tanzät, wiä dr Tyfel dur Dieli durä gschwanzät.» Flinke Finger gleiten über Klavier und Handorgel. Das Publikum springt von den Stühlen. Paare schwingen über den Holzboden.
So oder so ähnlich könnte sich die Uraufführung von Bärti Jütz' «Zogä am Bogä» im Jahr 1923 im Hotel Höfli in Altdorf zugetragen haben. Aufnahmen sind keine überliefert. Der Urner Volksmusikforscher Peter Gisler geht aber davon aus, dass Bärti Jütz und seine Komposition bei den Menschen Begeisterung auslösten.
Tanzen ist Teufelswerk
«Zogä am Bogä» handelt von der Tanzfreude. Der Titel meint das Ziehen am Geigenbogen, um zum Tanz aufzuspielen. «Bärti Jütz sprach den Urnern aus der Seele», sagt Peter Gisler. Denn getanzt wurde gerne – oft war es aber nicht erlaubt. Das störte die Menschen.
Die konservative Regierung und vor allem die Kirche hielten das Tanzen für Teufelswerk. Vor 100 Jahren durften die Urnerinnen und Urner nur unter der Woche tanzen. Am Samstag und am Sonntag war es verboten. Auch an Markttagen und in den Wochen vor Weihnachten und Ostern galt ein Tanzverbot. Dagegen lehnte sich der junge Bärti Jütz auf.
Geige, Laute und Zahnmedizin
Albert «Bärti» Jütz wurde 1900 geboren und wuchs in Altdorf auf. Schon als Kind spielte er Geige. Später kamen Mandoline, Laute, Klarinette und Akkordeon dazu. Peter Gisler hält ihn für musikalisch hochbegabt. Seine berufliche Karriere ging aber in eine andere Richtung: Bärti Jütz studierte Zahnmedizin.
Er war ein Star, ein Lebemensch.
Während des Studiums trat er in Zürich und im Kanton Uri in Lokalen und auf der Gasse auf. «Er war ein Star, ein Lebemensch», sagt Volksmusikforscher Peter Gisler. Zur Zeit des Ersten Weltkrieges habe Bärti Jütz mit seiner aufgestellten Art gute Stimmung verbreiten können.
So wohl auch 1923 im Hotel Höfli in Altdorf. Die Musik von «Zogä am Bogä» ist lüpfig und tanzbar, der Text angriffig und provokativ. Bärti Jütz singt vom Urner Regierungspräsidenten, der wie ein Teufel tanzt. Er fordert Jung und Alt auf, mitzumachen. Ins Bett gehe man heute nicht. Und wenn das Ganze dem Pfarrer nicht passt? Dann soll er doch an einer alten Kaffeemühle drehen, bis ihm die Energie ausgeht.
Tragischer Tod mit 25
Neben «Zogä am Bogä» sind von Bärti Jütz nur zwei weitere Kompositionen überliefert. Der Urner Musiker starb zwei Jahre nach seinem Auftritt in Altdorf bei einem Autounfall. Das Fahrzeug kam von der Strasse ab und prallte gegen einen Telefonmast. Bärti Jütz war Beifahrer und sofort tot.
Seine Lieder haben ihn bekannt gemacht. Auch die anderen beiden Kompositionen werden heute noch gespielt. Am bekanntesten ist aber definitiv «Zogä am Bogä». Das Lied gegen das Tanzverbot ist zur inoffiziellen Urner Kantonshymne geworden.
Und auch als Protestsong hat es noch eine gewisse Berechtigung. An hohen kirchlichen Feiertagen gilt im Kanton Uri noch heute ein Tanzverbot.