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BGer-Urteil zu Dashcams
Aus Tagesschau vom 10.10.2019.
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Urteil zu Dashcams Absage an Hilfs-Sheriffs und Dauerfilmer im Strassenverkehr

Das Bundesgerichtsurteil setzt Schranken für die Verwendung von Dashcam-Bildern. Und macht klar: Die Verkehrskontrolle obliegt dem Staat.

Es war ein Überholmanöver, wie es immer wieder vorkommt auf Schweizer Strassen. Eine Autolenkerin überholte auf der A51 bei Bülach ein anderes Auto, fuhr rechts vorbei und wechselte knapp vor dem anderen Auto wieder auf die Überholspur. Das alles in einem Baustellenbereich.

Der Fall hätte niemals die Gerichte beschäftigt, wenn der überholte Autolenker keine Dashcam hinter der Windschutzscheibe befestigt gehabt hätte.

Heikle Verwertung der Bilder

Der Autofahrer zeigte die Frau an und die Zürcher Justiz verurteilte sie zu einer bedingten Geldstrafe und einer Busse. Schon die Zürcher Justiz war sich bewusst, dass die Verwertung der Bilder heikel ist. In der Gesellschaft bestehe ein grosses Interesse, nicht beliebig oder ständig überwacht zu werden in der Öffentlichkeit.

Zwar sah es auch die Zürcher Justiz als Persönlichkeitsverletzung an, dass die Beschuldigte gefilmt wurde. Aber: «Das Interesse des Staates, den Verdacht gegen die Beschuldigte zu klären, überwiegt in diesem konkreten Fall». Die Aufnahme ist somit verwertbar, hielt das Zürcher Obergericht fest.

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Aufnahmen mit Dashcams sind keine Beweismittel
aus Rendez-vous vom 10.10.2019. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 9 Sekunden.

Dieses Zürcher Urteil wurde nun vom Bundesgericht aufgehoben. Zwar sei die Frau wegen mehrfacher, teilweise grober Verkehrsregelverletzung, schuldig gesprochen worden. Es handle sich dabei aber nicht um eine schwere Straftat, befand das Bundesgericht. Und Dashcam-Aufnahmen dürften nur bei schweren Straftaten verwendet werden, und auch dann nur unter gewissen Voraussetzungen.

Keine Hilfs-Sheriff-Mentalität

Die bundesgerichtliche Feststellung stützt die Haltung des Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten. Dieser hatte seit längerem auf einem Merkblatt zu Dashcams festgehalten: «Aufnahmen von Dashcams sollten weder zur Unterhaltung noch als Beweismittel in Bagatellfällen, wie beispielsweise alltägliche, riskante Manöver im Strassenverkehr, herangezogen werden.» Und: «Eine Hilf-Sheriff-Mentalität gilt es zu vermeiden.»

Das Bundesgerichtsurteil setzt also Schranken bezüglich der Verwertbarkeit von Dashcam-Aufnahmen. Und das Urteil gibt Anlass zur Erinnerung, dass es rechtswidrig ist, den Strassenverkehr inklusive Personen und Nummernschildern ständig zu filmen.

Der Fall muss genügend gravierend sein

Das wäre mit moderner Technologie auch nicht mehr nötig. Es gibt Kameras, die durch Beschleunigungssensoren die Aufnahme auslösen, ähnlich wie Airbags vor einem Unfall. Zudem gibt es Kameras, welche die Bilder nur verschlüsselt speichern oder andere, welche die Bilder laufend löschen oder überschreiben.

Auch sie können von den Strafverfolgungsbehörden nur dann verwendet werden, wenn der Fall genügend gravierend ist. Andernfalls rechtfertigt sich ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der gefilmten Personen nicht. Das müssen auch Hilfs-Sheriffs und Dauerfilmer zur Kenntnis nehmen.

Andreas Stüdli

Andreas Stüdli

Westschweiz-Korrespondent, Radio SRF

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Andreas Stüdli berichtet seit Juni 2018 für Radio SRF aus der Westschweiz und über das Bundesgericht. Er war zuvor fünfeinhalb Jahre Westschweizkorrespondent der Nachrichtenagentur SDA gewesen.

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  • Hinweis auf einen verwandten Artikel:

    Bundesgericht hebt Urteil auf

    Dashcam-Aufzeichnung ist als Beweismittel nicht zulässig

    10.10.2019 Mit Video

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43 Kommentare

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  • Kommentar von Vera Kehrli  (Vera Kehrli)
    Jedes Jahr werden 2000 Fussgänger und Velofahrer von solchen Risikofahrern getötet oder verletzt. Und jetzt erklärt unsere Justitz solches Verhalten als Bagatelle. Unser Justitzsystem ist komplett kaputt.
  • Kommentar von Andreas Meier  (Epikur)
    Man kriegt schon den Eindruck, als sei die Schweiz in der Tat ein Täter-Paradies. Sogar wenn man bei halsbrecherischen und rücksichtslosen Handlungen von den Betroffenen selber gefilmt wird, kommt man locker davon. Wegen Datenschutz. Datenschutz soll den Missbrauch empfindlicher persönlicher Daten zu kommerziellen, rechtlichen oder Generalverdachts-Zwecken verhindern. Diese Delinquentin hat dieses Schutzrecht in dem Moment verloren, als sie sich zum Bruch der Strassenverkehrsgesetzte entschied.
  • Kommentar von Peter Klauser  (RC30)
    Teil 2: Stellen Sie sich die selbe Situation vor. Doch diesmal ist der Fahrer allein, hat aber eine Dashcam. In diesem Falle kommt der Raser (mit grösster Wahrscheinlichkeit) ungeschoren davon, weil die Aufnahmen nicht verwendet werden dürfen.
    Dieses Urteil verstösst gegen den gesunden Menschenverstand. Wenn Zeugenaussagen (welche immer unsicher sind) höher gewichtet werden als klare technische Beweise, dann ist das absolut stossend.
    1. Antwort von Ueli Lang  (Wochenaufenthalter)
      Die Situation dürfte nicht anders sein, als in ihrem Fall 1, da nun aufgrund der Unfallfolge ein Verfahren geführt wird und im Rahmen dieses Verfahrens die Dashcam und ihre Bilder durchaus Beweiskraft entwickeln. Das Bundesgericht hat aber über einen ganz anderen Fall, eben ohne Unfall als Kausalgrund für das Verfahren, geurteilt!. Dabei wurde das Verfahren durch die Bilder der Dashcam ausgelöst. Das Bundesgericht hat nun richtigerweise entschieden, dass es keine Hilfssheriffs geben soll!
    2. Antwort von Wadelda Pip  (W. Pip)
      @Lang: auch im 2. Fall entfalten die Videos keine Beweiskraft, denn der Verursacher des Unfalls begeht auch dann keine schwere Straftat, sondern immernoch einen Verkehrsregelverstoss, der zwar unglücklicherweise zu einem Unfall führt, aber dennoch begeht er kein Schwerverbrechen. - Insofern lassen sich Dashcams fürderhin nur nutzen, wenn man einen Banküberfall smit Schusswaffengebrauch oder ähnliches damit zufällig filmt. Pointless.