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Urteil zu Dashcams Absage an Hilfs-Sheriffs und Dauerfilmer im Strassenverkehr

Das Bundesgerichtsurteil setzt Schranken für die Verwendung von Dashcam-Bildern. Und macht klar: Die Verkehrskontrolle obliegt dem Staat.

Es war ein Überholmanöver, wie es immer wieder vorkommt auf Schweizer Strassen. Eine Autolenkerin überholte auf der A51 bei Bülach ein anderes Auto, fuhr rechts vorbei und wechselte knapp vor dem anderen Auto wieder auf die Überholspur. Das alles in einem Baustellenbereich.

Der Fall hätte niemals die Gerichte beschäftigt, wenn der überholte Autolenker keine Dashcam hinter der Windschutzscheibe befestigt gehabt hätte.

Heikle Verwertung der Bilder

Der Autofahrer zeigte die Frau an und die Zürcher Justiz verurteilte sie zu einer bedingten Geldstrafe und einer Busse. Schon die Zürcher Justiz war sich bewusst, dass die Verwertung der Bilder heikel ist. In der Gesellschaft bestehe ein grosses Interesse, nicht beliebig oder ständig überwacht zu werden in der Öffentlichkeit.

Zwar sah es auch die Zürcher Justiz als Persönlichkeitsverletzung an, dass die Beschuldigte gefilmt wurde. Aber: «Das Interesse des Staates, den Verdacht gegen die Beschuldigte zu klären, überwiegt in diesem konkreten Fall». Die Aufnahme ist somit verwertbar, hielt das Zürcher Obergericht fest.

Dieses Zürcher Urteil wurde nun vom Bundesgericht aufgehoben. Zwar sei die Frau wegen mehrfacher, teilweise grober Verkehrsregelverletzung, schuldig gesprochen worden. Es handle sich dabei aber nicht um eine schwere Straftat, befand das Bundesgericht. Und Dashcam-Aufnahmen dürften nur bei schweren Straftaten verwendet werden, und auch dann nur unter gewissen Voraussetzungen.

Keine Hilfs-Sheriff-Mentalität

Die bundesgerichtliche Feststellung stützt die Haltung des Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten. Dieser hatte seit längerem auf einem Merkblatt zu Dashcams festgehalten: «Aufnahmen von Dashcams sollten weder zur Unterhaltung noch als Beweismittel in Bagatellfällen, wie beispielsweise alltägliche, riskante Manöver im Strassenverkehr, herangezogen werden.» Und: «Eine Hilf-Sheriff-Mentalität gilt es zu vermeiden.»

Das Bundesgerichtsurteil setzt also Schranken bezüglich der Verwertbarkeit von Dashcam-Aufnahmen. Und das Urteil gibt Anlass zur Erinnerung, dass es rechtswidrig ist, den Strassenverkehr inklusive Personen und Nummernschildern ständig zu filmen.

Der Fall muss genügend gravierend sein

Das wäre mit moderner Technologie auch nicht mehr nötig. Es gibt Kameras, die durch Beschleunigungssensoren die Aufnahme auslösen, ähnlich wie Airbags vor einem Unfall. Zudem gibt es Kameras, welche die Bilder nur verschlüsselt speichern oder andere, welche die Bilder laufend löschen oder überschreiben.

Auch sie können von den Strafverfolgungsbehörden nur dann verwendet werden, wenn der Fall genügend gravierend ist. Andernfalls rechtfertigt sich ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der gefilmten Personen nicht. Das müssen auch Hilfs-Sheriffs und Dauerfilmer zur Kenntnis nehmen.

Andreas Stüdli

Bundeshausredaktor

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Andreas Stüdli gehört seit August 2024 der Bundeshaus-Redaktion von Radio SRF an. Zuvor hatte er für Radio SRF von Juni 2018 bis Juli 2024 aus der Westschweiz und über das Bundesgericht berichtet. Zuvor war Andreas Stüdli für die Nachrichtenagentur SDA tätig gewesen, zuerst in Aarau für die Region Aargau Solothurn, dann in Lausanne für die Westschweiz. Seine Laufbahn begann er bei Radio 32 in Solothurn.

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