Der Bundesrat prüft aktuell, wie ein neues Mandat für Verhandlungen mit der EU aussehen könnte. Noch vor den Sommerferien will er Eckpunkte dazu kommunizieren. Kurz bevor es so weit ist, kommt aber Unruhe auf. Aus verschiedenen Richtungen regt sich Widerstand, noch bevor überhaupt verhandelt wird. Seit Mittwoch haben die Eisenbahn-Gewerkschafter noch grössere Sorgen.
Es geht um den sogenannten Paket-Ansatz. Verschiedene Bereiche der Zusammenarbeit der Schweiz mit der EU sollen mit neuen oder revidierten Abkommen geregelt werden. Die grosse Frage ist im Moment, was in dieses Paket hineinkommt. Die Hoffnung des Bundesrats ist: Wenn mehr Themen im Paket sind, gibt es mehr Verhandlungsmasse und damit grössere Chancen auf eine Einigung.
Internationalen Bahnverkehr öffnen
Beide Seiten, die Schweiz und die EU, formulieren aktuell mehr oder weniger forsch ihre Wunschliste. Ein Wunsch der EU ist, dass der Eisenbahnmarkt künftig nicht nur der SBB, sondern auch ausländischen Bahnen offenstehen soll. Ein erklärtes Pilotprojekt dafür ist ein grüner Flixtrain, ein Billiganbieter von München nach Zürich.
Matthias Hartwich, Präsident der Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV, sagt: «Unsere Angst ist, dass der Lohnschutz für die Beschäftigten in der Schweiz unter die Räder kommt, weil man der EU vielleicht vorschnell bei Punkten Entgegenkommen signalisiert, bei denen es gar nicht nötig ist.» Hartwichs Problem ist, dass für den Lohnschutz im Bahnbereich spezielle Regeln gelten. Lohnschutz auf der Schiene ist deshalb nicht dasselbe wie Lohnschutz in anderen Bereichen.
Taktfahrplan unter Druck?
Und auch dem Schweizer Bahnsystem insgesamt drohe Ungemach. Der zuverlässige Taktfahrplan der SBB, die im internationalen Verkehr bislang mit ausländischen Anbietern kooperiert, komme unter Druck, wenn fremde Anbieter in die Schweiz fahren können.
Mit Blick auf die Europa-Sondierungen sagt Hartwich: «Wenn man das Kooperationsmodell auf dem Altar einer Einigung mit Europa opfert, hat man einen Systemwechsel vorgenommen.» Und diesen Systemwechsel, weg von der Einheitsbahn, lasse sich nicht mehr rückgängig machen. Seine Angst ist, dass – wenn die Schweiz anderorts im Paket etwas bekommt – sie bei der Eisenbahn plötzlich nachgeben könnte.
Um die Sorgen der Gewerkschafter zu beschwichtigen, hat am Mittwochabend unter Vermittlung des Staatssekretariats für Wirtschaft Seco ein Treffen zwischen dem Bundesamt für Verkehr und den Gewerkschaften stattgefunden.
Beruhigung hat dieses Treffen nur zum Teil gebracht. «Zumindest der Teil, der den internationalen Personenverkehr angeht, geht nicht in die richtige Richtung. Da haben wir massive Befürchtungen, dass unsere Kolleginnen und Kollegen in der Schweiz unter die Räder kommen könnten.» Das Bundesamt für Verkehr schreibt auf Anfrage, die EU dränge zunehmend auf eine Öffnung des internationalen Bahnverkehrs. Die Schweiz habe aber die Möglichkeit, auf Schweizer Strecken den Lohnschutz sicherzustellen. Und eine Öffnung des Verkehrs innerhalb der Schweiz stehe nicht zur Debatte.
Verfahrene Situation
Voraussichtlich nächste Woche diskutiert der Bundesrat, wie es in der Europapolitik weitergeht. Niemand will zum jetzigen Zeitpunkt in seinem Bereich Konzessionen machen. Und so bündelt das Europa-Paket im Moment vor allem die Kritik an den neuen Verträgen mit der EU.