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Verschärfungen des Bundesrats Tabubruch in der Weihnachtszeit

Weihnachten steht kurz bevor, die Fallzahlen steigen, die Intensivstationen füllen sich und die Regierung diskutiert verschärfte Massnahmen bis hin zur Schliessung von Restaurants und Freizeiteinrichtungen. Kommt Ihnen das bekannt vor? Bereits letztes Jahr hatten wir ein ähnliches Szenario – und das ohne Impfung. Sind wir also gleich weit wie vor einem Jahr, sind kurz vor Weihnachten wieder Schliessungen nötig?

Bundesrat hat wenig Lust auf Schliessungen

Der Bundesrat relativiert heute, die Situation sei ganz anders als vor einem Jahr, man versuche, Schliessungen zu verhindern. Und trotzdem: Eine der beiden Varianten, die der Bundesrat in die Vernehmlassung gibt, beinhaltet die Schliessung der Innenbereiche von Restaurants, Fitnesscenter, Bars und Clubs. Klar, es ist die einschneidendere der beiden Varianten und man merkte heute dem Bundesrat an, dass er wenig Lust auf Schliessungen hat.

Doch der Druck auf die Spitäler nimmt zu: Laut aktuellen Zahlen befinden sich heute 289 Covid-Patienten auf den Intensivstationen. Damit dürfte auch die kritische Schwelle von 300 Covid-Patienten bald erreicht sein. Laut der Taskforce wird das Mitte Dezember der Fall sein, ab diesem Zeitpunkt werden nicht mehr alle Patientinnen und Patienten im Spital eine optimale Versorgung bekommen und Behandlungen müssen verschoben werden. Das betrifft alle, nicht nur Covid-Patienten.

Paradigmenwechsel auch bei der weicheren Variante

Doch auch die erste Variante, die der Bundesrat zur Debatte stellt, ist ein Paradigmenwechsel. Die 2G-Regel bedeutet, dass nur noch Geimpfte und Genesene Zugang zu Restaurants, Kinos oder Sporteinrichtungen haben. Damit werden erstmals Ungeimpfte von einem Teil des gesellschaftlichen Lebens ausgeschlossen.

Lange galt die 2G-Regel als Tabu, als nicht mehrheitsfähig in der Schweiz. Obwohl alle Nachbarländer ihre Massnahmen verschärften, Österreich sogar einen Lockdown beschloss, hielt man in der Schweiz am Sonderweg fest. In Deutschland beispielsweise konnte der Anstieg der Fallzahlen mit der 2G-Regel gebremst werden, in der Schweiz dagegen wurde diesen Montag mit 12'750 Fällen innert 24 Stunden ein neuer Rekord erreicht.

Teilschliessungen werden wieder zum Thema

Man wolle weder zu früh noch zu spät reagieren, sagte Bundesrat Alain Berset heute an der Medienkonferenz. Fraglich ist, ob der Tabubruch mit der 2G-Regel jetzt nicht zu spät kommt. So spät, dass sogar Teilschliessungen wieder ein Thema werden. Zu lange galt das Motto «Abwarten und Beobachten». Auch dieses Vorgehen erinnert an letzten Herbst, damals gab die Regierung zu, zu spät gehandelt zu haben. Heute sagt Bundesrat Berset, er hätte nie gedacht, dass der Druck Mitte Dezember so hoch sein würde.

Und der Druck steigt – nicht nur wegen Weihnachten: Spürbar wird die Wirksamkeit von Massnahmen immer erst nach zwei Wochen, anhand der Fallzahlen. In den Intensivstationen dauert es sogar drei Wochen oder länger, bis sich die Massnahmen bemerkbar machen. Deshalb ist der Effekt der Massnahmen, die letzte Woche beschlossen wurden, noch nicht sichtbar.

Die Taskforce des Bundes äusserte am Dienstag Zweifel, dass die aktuell geltenden Massnahmen ausreichen würden, um die Trendwende zu schaffen. Deshalb hat der Bundesrat heute vorsorglich diese beiden Varianten in die Vernehmlassung geschickt, in der Hoffnung, dass sie nicht nötig sein werden. Und doch: Die Frage dürfte nicht sein, ob eine der beiden Varianten umgesetzt wird, sondern welche.

Mirjam Spreiter

Bundeshauskorrespondentin

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Mirjam Spreiter ist Bundeshauskorrespondentin bei SRF. Zuvor war sie Korrespondentin in den Regionen Bern und Freiburg sowie Redaktorin und Reporterin der «Tagesschau». Sie hat an den Universitäten Freiburg, Bern und Berlin Religionswissenschaften, Medien- und Kommunikationswissenschaften sowie Zeitgeschichte studiert.

SRF 4 News, 10.12.2021, 15:00 Uhr

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