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Vor 200 Jahren Als Kinder im Naturmuseum unerwünscht waren

Ein versteinerter Schildkrötenpanzer, Ammoniten, Seesterne, Seeigel, Korallen: So hat es angefangen, vor 200 Jahren. Der Lehrer Franz Joseph Hugi hat der Stadt Solothurn seine private geologische Sammlung übergeben. Dafür stellte sie ihn als Betreuer an. Die Auflage: Die Sammlung sollte einmal in der Woche zugänglich sein. Das Naturmuseum Solothurn war gegründet, als eines der ersten der Schweiz 1825.

Der umtriebige Gründer

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Gruppe von Wissenschaftlern, die auf Felsen in den Alpen arbeiten.
Legende: Franz Josef Hugi und seine Begleiter im Rottal. Hugi ist der vierte von rechts. Wikimedia Commons

Franz Joseph Hugi war nicht nur Lehrer, er war auch ein bekannter Geologe und Alpenforscher. Er erforschte unter anderem Gletscher.

Hugi gehörte zudem zu den Alpinisten, die das erste Mal das Finsteraarhorn bezwangen, den höchsten Gipfel der Berner Alpen. Der Solothurner musste allerdings kurz vor dem Gipfel zurückbleiben, wegen einer Fussverletzung.

Das Naturmuseum war in Schulräumen des Waisenhauses der Stadt Solothurn eingerichtet. Die Räume waren überfüllt, die Gestelle vollgepackt, Beschriftungen rar. Die Sammlung habe zu Beginn vor allem Versteinerungen enthalten, sagt der heutige Leiter des Naturmuseum Solothurn, Thomas Briner.

Wissenschaftlich war das Naturmuseum Solothurn vorne mit dabei. Bei der Gründung 1825 sei Darwins Evolutionstheorie noch nicht veröffentlicht gewesen, gibt Briner zu bedenken: «Dass es schon Leute gehabt hat, die sich überlegt haben, dass Fossilien etwas Besonderes sind, ist bemerkenswert.»

Fenster mit ausgestellten Korallen und Muscheln.
Legende: So könnte das erste Naturmuseum ausgesehen haben: Schränke, vollgestopft mit Fossilien. Nicole Hänni/Naturmuseum Solothurn

Für den Gründer stand die Forschung im Zentrum: «Franz Joseph Hugi ist die Öffentlichkeit eher ein bisschen lästig gewesen. Dass man ihn verdonnert hat, das Museum wöchentlich einmal aufzumachen, war ihm sicher nicht das liebste», sagt Museumsleiter Thomas Briner.

Dies hat sich nicht so schnell geändert. Zwar zog das Naturmuseum Solothurn 1902 in das neue «Haus der Kunst und Wissenschaft», das heutige Kunstmuseum, und war fortan öfter geöffnet, doch auch hier waren die meisten Ausstellungsstücke nicht einmal beschriftet.

Kinder machen Ausstellung kaputt?

Und: Kinder waren auch jetzt nicht wirklich willkommen. Dies wisse man aus Protokollen des Museums, erläutert Thomas Briner. Der Hauswart habe sich regelmässig über die Kinder im Museum beklagt, etwa, dass sie den Objekten nicht Sorge getragen hätten. «Eigentlich wollte man die Kinder eher nicht im Museum.» Schliesslich wurde der Besuch von Kindern eingeschränkt.

Naturkundemuseum mit ausgestopftem Eisbär und Vitrinen voller Tiere.
Legende: Der Eisbär wurde in den 1910er-Jahren von einer Reisegruppe zurück nach Solothurn gebracht, zusammen mit einem Polarfuchs und zahlreichen Vögeln. Max Dörfliger/Naturmuseum Solothurn

Dabei hätte es viel Spektakuläres zum Anschauen gegeben. Anfang 20. Jahrhundert begann nämlich die Zeit der Exoten: Im Naturmuseum Solothurn konnten Löwen bestaunt werden, daneben Giraffe, Zebra, Okapi, ein Strauss, zahlreiche farbige Vögel – und ein Eisbär.

Diesen hat eine Gruppe reicher Solothurner von einer Schifffahrt mitgebracht, erzählt Museumsleiter Briner. Die Gruppe reiste von Hamburg, über Spitzbergen nach Amerika und brachte rund 40 Tiere von der Reise zurück ins Museum, neben dem Eisbären auch einen Polarfuchs und verschiedene Vögel.

Grosses Ei in Ständer neben ausgestopftem Tier.
Legende: Das einäugige Zicklein stammt aus der Sammlung anfangs 20. Jahrhundert. Damals faszinierten Abweichungen und Exotisches. Nicole Hänni/Naturmuseum Solothurn

Neben den exotischen Tieren wurde nun auch das Abnormale zur Attraktion. Im Museum konnten ein ausgestopftes einäugiges Zicklein, ein doppelköpfiges Kalb und verschiedene Albinos bestaunt werden. «Man hat diese bewusst gesammelt, weil sie nicht dem Normalen in der Natur entsprochen haben. Das ist für die Leute sehr faszinierend gewesen.»

Das Museum der Zukunft

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Fossil auf leuchtendem Sockel mit Mikrofon.
Legende: KI im Museum: Eines der ersten Sammelstücke des Naturmuseums Solothurn, der versteinerte Schildkrötenpanzer, lädt zum Plaudern ein. Nicole Hänni/Naturmuseum Solothurn

Zu seinem 200 Jahr-Jubiläum schaut das Naturmuseum Solothurn auch in die Zukunft. In der Jubiläumsausstellung können Besucherinnen und Besucher mit einer versteinerten Schildkröte plaudern, einer Künstlichen Intelligenz.

Dass KI Auswirkungen auf Museen haben wird, das ist für Thomas Briner, Leiter des Naturmuseums Solothurn, klar. Doch: Hilft diese ausschliesslich beim Vermitteln? Ersetzt sie Objekte? Oder gar Museen? Unklar, wohin die Reise der Museen geht.

1980 begann im Naturmuseum Solothurn die Gegenwart: «Der Stil wurde anders, plötzlich kommt die Vermittlung rein», sagt Thomas Briner. Seither verzichte das Museum darauf, die ganze Welt zeigen zu wollen. «Wir haben es wieder auf die einheimischen Tiere beschränkt. Diese stehen aber auch symbolisch für eine Entwicklung, zum Beispiel in der Umwelt.»

Zwei ausgestopfte Bären in einer Museumsausstellung.
Legende: Berühren erlaubt! Die zwei Braunbären begrüssen die Besucherinnen und Besucher im Naturmuseum Solothurn. Nicole Hänni/Naturmuseum Solothurn

Anders als früher sind die Kinder nicht aus den heutigen Naturmuseen wegzudenken, so auch in Solothurn. 55'000 Besucherinnen und Besucher hatte das Museum 2024, die Hälfte davon Kinder. Verschiedene Objekte dürfen sie auch anfassen, zum Beispiel die zwei Braunbären beim Eingang des Museums. Klagen des Hauswarts gibt es deswegen heute keine mehr.

Regional Diagonal, 14.06.2025, 12:03 Uhr; schn

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