Zum Inhalt springen

SVP sucht populäre Themen Röstis Rütli-Rapport

Eigentlich sind politische Veranstaltungen auf dem Rütli nicht erlaubt. SVP-Präsident Albert Rösti hat diese Regel grosszügig interpretiert und die Journalisten zu einem «Spaziergang» auf die geschichtsträchtigste Wiese der Schweiz eingeladen.

Und die Medienschaffenden sind zahlreich erschienen – die SVP wusste das innenpolitische Sommerloch schon immer geschickt auszunutzen. Während die anderen Parteipräsidenten Sommerferien machen, ist Rösti auffallend präsent. Er selbst allerdings verneint einen Zusammenhang mit dem Sommerloch. Er gebe Interviews, wenn er angefragt werde. Und er wolle einfach «Kraft schöpfen für den Wahlkampf» auf dem Rütli.

Ein grosser Wahlverlust droht

Vielleicht hat die Dauerpräsenz aber auch damit zu tun, dass seiner SVP die grössten Verluste aller Parteien vorausgesagt werden: Fast drei Prozentpunkte könnte die stärkste Partei der Schweiz im Herbst einbüssen.

Kein Wunder: Die SVP hat zurzeit kaum Themen, mit denen sie punkten kann. Laut dem Sorgenbarometer leiden die Leute hierzulande unter den hohen Krankenkassenprämien und machen sich Sorgen wegen des Klimawandels. Hierzu hat die Volkspartei keine klaren Antworten. Das Thema Gesundheitskosten umschifft die Partei häufig grosszügig.

Und die an sich geschickte Strategie, in der Klimapolitik gegen alle anderen Parteien zu wettern, geht auch nicht ganz auf, weil der Bauernflügel in der Volkspartei durchaus mehr Klimaschutz will.

Mit dem Rütli gegen die EU

So setzt Parteipräsident Rösti nun wieder aufs SVP-Kernthema Unabhängigkeit, insbesondere auf das Verhältnis der Schweiz zur EU. Am 25. Juli, vor genau 79 Jahren, hielt auf dem Rütli General Henri Guisan den berühmten Rütlirapport.

Nach dem Fall Frankreichs war die Schweiz von Achsenmächten umzingelt. Der damalige Bundespräsident Marcel Pilet-Golaz sprach am Radio von «Anpassung», was damals viele als Einknicken vor Nazi-Deutschland interpretierten. Guisan aber beschwor den Widerstand.

Die SVP-Symbolik ist klar: Der jetzige Bundesrat knicke beim Streit ums Rahmenabkommen vor der EU ein, wie Pilet-Golaz vor den Nazis. Nur die Volkspartei leiste – wie Guisan damals – Widerstand. Rösti gibt auf mehrmaliges Nachfragen aber zu, dass der Vergleich mit der damaligen Zeit vielleicht schon etwas vermessen sei.

Verhalten der EU entscheidend

Ob die Rütli-Symbolik im Zusammenhang mit dem Rahmenabkommen beim Wahlvolk verfängt? Das hängt im Wesentlichen davon ab, wie sich die EU bis zu den Schweizer Parlamentswahlen verhält. Sie müsste bis im Herbst wohl massiv mehr Sticheleien gegenüber der Schweiz lancieren, als nur die Aberkennung der Börsenäquivalenz, die bis jetzt ziemlich folgenlos geblieben ist.

Sonst bleibt es dabei: Im Klimajahr hat die SVP grösste Mühe, ihre eigenen Themen zu setzen. Doch selbst wenn die Volkspartei drei Prozentpunkte verlieren sollte: Die SVP würde immer noch die mit Abstand grösste Partei bleiben.

Andy Müller

Bundeshausredaktor

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Andy Müller ist Bundeshausredaktor des Schweizer Fernsehens. Zuvor war er Themenplaner und stellvertretender Redaktionsleiter von «10vor10».

Hier finden Sie weitere Artikel von Andy Müller und Informationen zu seiner Person.

Meistgelesene Artikel