496 Personen wollen am 20. Oktober einen der 16 Aargauer Nationalratssitze ergattern. Das sind über 200 mehr als bei den letzten nationalen Wahlen – so viele Kandidierende wie noch nie. Sie verteilen sich auf 36 Unterlisten – auch dies deutlich mehr als beim letzten Mal. Diese grosse Anzahl an Kandidierenden und Listen sei vor allem für partei-ungebundene Wählerinnen und Wähler eine Herausforderung, meint Politologe Thomas Milic.
SRF News: Seit Montag ist bekannt, wie viele Kandidatinnen und Kandidaten im Aargau in den Nationalrat wollen. Es ist eine richtige Flut. Was heisst das für die Wählerinnen und Wähler? Kann es eine Überforderung sein und abschreckend wirken?
Thomas Milic: Es trägt sicher nicht zur Erleichterung des Wahlentscheids bei. Man muss allerdings auch sehen, dass wahrscheinlich die grosse Mehrheit der Wählerinnen und Wähler stabile Parteipräferenzen haben. Diese Leute wissen bereits jetzt, wen sie wählen werden. Und sie werden wohl auch keine Mühe haben, ihren Wahlentscheid im Oktober zu fällen.
Es ist wie bei einer Boyband: Für jeden Geschmack wird etwas geboten.
Unübersichtlicher ist die Situation für die «ungebundenen» Wählerinnen und Wähler, welche eine leere Liste nehmen. Da wird es ein wenig schwieriger. Aber auch hier wird sich die Wahl wahrscheinlich auf die hinlänglich bekannten Kandidaturen konzentrieren. Diese heben sich auch am ehesten von der Masse ab.
Wie heben sie sich ab?
Je grösser die Zahl der Kandidaturen, desto unübersichtlicher ist die Situation für solche Wähler, die Kandidaten verschiedenster Parteien wählen. Wie alle anderen haben auch diese Wählerinnen und Wähler nur begrenzt Zeit, ihren Wahlentscheid zu fällen. Aus diesem Grund werden sie sich wahrscheinlich auf die bekannten Kandidaturen konzentrieren.
Könnte es sogar abschreckend wirken, wenn man zwei Couverts erhält mit Wahlunterlagen? Dass man sagt: Ich lasse das Wählen sein?
Im Einzelfall kann das schon sein. Ich glaube aber nicht, dass dies ein Massenphänomen sein wird. Die Wahlbeteiligung wird wohl ähnlich ausfallen wie vor vier Jahren. Der wichtigste Treiber der Wahlbeteiligung ist das politische Interesse. Und wenn man den Entscheid gefällt hat, teilzunehmen, wird man höchstwahrscheinlich auch teilnehmen.
Es gibt dieses Mal so viele Unterlisten. Alleine die CVP hat neun verschiedene Listen. Ist dies eine Strategie, die sinnvoll ist?
Das ist umstritten. Bei Listenverbindungen ist es so, dass man bei einem geschickten Vorgehen durchaus Erfolg haben kann. Bei Unterlisten ist das deutlich umstrittener. Die Strategie ist klar: Es ist ein bisschen wie bei einer Boyband. Für jeden Geschmack wird etwas geboten. Man möchte möglichst viele Merkmalsgruppen ansprechen. Ob dies am Schluss aufgeht, das ist umstritten. Im besten Fall gibt es zusätzliche Listenstimmen. Aber auch dann profitieren am Schluss die Spitzenkandidaten davon.
Mehr Kandidatinnen, Kandidaten und Listen im Aargau: Ist dies eine Tendenz, mit der man weiterhin rechnen muss? Oder ist die Grenze erreicht?
Man sollte meinen, dass irgendwann eine Grenze erreicht werden muss. Wenn man aber die Entwicklung der letzten zehn bis 15 Jahre anschaut, dann sieht man, dass die Anzahl Kandidatinnen und Kandidaten stetig zunimmt. Insofern ist zu erwarten, dass es auch in vier Jahren erneut eine Zunahme gibt.
Das Gespräch führte Christoph Wasser.