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Grün oder liberal? «Es schlagen zwei Herzen in der Brust der Zürcher GLP»

Die Grüne zu links, der Freisinnige zu wenig grün: Die Zürcher Grünliberalen haben beim zweiten Wahlgang für den Ständerat Stimmfreigabe beschlossen. SRF-Regionalkorrespondent Christoph Brunner zur neuen Ausgangslage – und was den Wahlgang noch aufmischen könnte.

Christoph Brunner

Redaktor Regionaljournal Zürich Schaffhausen, SRF

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Christoph Brunner Caffi ist seit 2012 für Radio SRF tätig – als Redaktor beim «Regionaljournal Zürich Schaffhausen» und von 2016 bis Herbst 2021 als Regionalkorrespondent in Zürich. Zuvor war er während zehn Jahren Moderator, Redaktor und Tagesleiter bei Radio 24.

SRF News: Warum konnten sich die Grünliberalen nicht auf einen Kandidaten oder eine Kandidatin einigen?

Christoph Brunner: Es schlagen eben zwei Herzen in der Brust der Zürcher Grünliberalen – und Ruedi Noser und Marionna Schlatter repräsentieren jeweils eines dieser Herzen. Das grüne Herz der Zürcher GLP schlägt für Marionna Schlatter. Sie setze sich klar für mehr Umweltschutz und Massnahmen gegen den Klimawandel ein. Ausserdem ist für die GLP sehr wichtig, dass Marionna Schlatter eine Frau ist – und Frauen gebe es im Ständerat zu wenig.

Es kommt im Kanton Zürich höchst selten vor, dass ein Ständerat abgewählt wird.

Allerdings ist die Grüne ist aus Sicht der Zürcher GLP zu links, betreibe zum Beispiel eine Sozialpolitik mit dem Giesskannenprinzip. Und da kommt das liberale Herz der GLP ins Spiel, das für Ruedi Noser schlägt. Er repräsentiere den Wirtschaftsstandort Zürich und engagiere sich für eine aussenpolitische Öffnung. Auf der Negativseite gebe es verschiedene Differenzen bei umweltpolitischen Fragen, so die GLP. Unter dem Strich: Weder der Freisinnige noch die Grüne ist ganz nach dem Geschmack der GLP.

Die GLP beschliesst Stimmfreigabe – die anderen Parteien haben klar Stellung bezogen. Wie sehen die Lager jetzt aus?

Der amtierende Ständerat Noser kann neben seiner eigenen Partei noch die CVP hinter sich scharen. Auch die Zürcher SVP hat sich nach dem Rückzug ihres Kandidaten Roger Köppel für eine Unterstützung Ruedi Nosers ausgesprochen – wenn auch nur widerwillig: Gegenüber der grünen Kandidatin sei Noser einfach das kleinere Übel, war die Begründung.

Ruedi Noser, Daniel Jositsch, Marionna Schlatter
Legende: Die Sozialdemokraten können entspannt in den zweiten Wahlgang in Zürich gehen: Ihr Ständerat, Daniel Jositsch (Mitte) wurde bereits wiedergewählt. Keystone

Hinter Schlatter stehen natürlich die Grünen und die Sozialdemokraten. Diese können ganz entspannt in diesen zweiten Wahlgang gehen, weil ihr Ständerat Daniel Jositsch ja bereits im ersten Wahlgang wiedergewählt wurde. Ausserdem bekommt Schlatter die Stimmen der Linkspartei Alternative Liste.

Und wer ist im Vorteil?

Rein rechnerisch ist es der FDP-Mann. Er hat im ersten Wahlgang das zweitbeste Resultat erzielt, mit einem komfortablen Vorsprung auf die grüne Kandidatin. Ausserdem kommt es im Kanton Zürich höchst selten vor, dass ein Ständerat abgewählt wird. Noser dürfte also auch einen gewissen Bisherigen-Bonus haben. Aber es gibt ein paar Faktoren, die diesen zweiten Wahlgang aufmischen könnten.

Was wären diese Faktoren?

Zum einen die SVP-Wählerinnen und Wähler: Es ist unsicher, wie viele von ihnen am 17. November wirklich wählen gehen. Denn Köppel hat im Wahlkampf Noser massiv angegriffen und ihn als Euro-Turbo und «Pöstchen-Jäger» verschrien – da dürfte es einigen SVP-Anhängern schwerfallen, nun Noser zu wählen.

Zweiter Faktor: Es ist schwierig abzuschätzen, wie sich die Stimmen der GLP auf Noser und Schlatter verteilen werden, da könnte es auch noch Überraschungen geben.

Und drittens: Die Grünen haben dank dem Klimathema im ersten Wahlgang vom 20. Oktober sehr gut mobilisiert. Wenn ihnen das am 17. November wieder gelingt, dann könnte es eng werden für Noser. Dann könnte ihm die Grüne Schlatter gefährlich nahe kommen.

Das Gespräch führte Salvador Atasoy.

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