Die SVP ist zurück: Anders als bei den letzten Wahlen stimmt für die wählerstärkste Partei die politische Grosswetterlage. Ausländer- und Neutralitätsdiskussionen kommen der Partei zupass.
Aushängeschilder der Partei
Die Wahlkampfthemen der SVP
Zuwanderung: Die SVP tritt mit der «Nachhaltigkeits-Initiative» bereits zum dritten Mal gegen den freien Personenverkehr mit der EU an.
Asyl: Die SVP fordert eine massive Verschärfung der Asylpolitik. Beispielsweise will sie Asylverfahren ins Ausland verlagern.
«Woke und Gender»: Die Partei spricht gezielt Wählerinnen und Wähler an, die sich über Wokeness- und Gender-Diskussionen ärgern.
Neutralität: Die SVP ist als einzige Bundesratspartei gegen Lockerungen bei der Waffenweitergabe und gegen die Russland-Sanktionen.
Ausgangslage und Aussichten
Vor vier Jahren sprach einiges gegen die SVP, vor allem die Themenkonjunktur: Die damals dominanten Themen Klima und Frauen halfen der Partei nicht. Entsprechend kam es bei den nationalen Wahlen zu einer Verschiebung Richtung links(-grün) und zu Verlusten für die SVP.
Die negative Tendenz setzte sich in den Kantonen zunächst fort, inzwischen aber hat die wählerstärkste Partei den «Turnaround» geschafft und ist im Aufwind.
Dieses Jahr stimmen für die SVP die Themen (Ukraine/Neutralität, Asyl/Zuwanderung) und sowohl kantonale Wahlresultate als auch nationale Wahlumfragen zeigen nach oben.
Als Wahlziel hat sich die Partei gesetzt, 100'000 zusätzliche Wählerinnen und Wähler zu gewinnen. Damit würde sie die Verluste von 2019 wieder wettmachen. Das ist ehrgeizig, aber nicht unrealistisch.
Tops in der letzten Legislatur
- Der Klima-Coup von 2021: Die SVP trat 2021 als einzige grosse Partei gegen das CO₂-Gesetz an und gewann die Abstimmung. Allerdings: Ihren Coup konnte die SVP 2023 beim Klimaschutzgesetz nicht wiederholen.
- Hart am Zeitgeist: Die SVP beweist ihr Talent, Stimmungen zu erkennen und zu verstärken. Mit ihrer Kampagne gegen die Gender- und Wokeness-Debatte besetzt sie ein Thema, das laut SRG-Wahlbarometer vielen Leuten unter den Nägeln brennt.
- Zuwachs im Ständerat: Lange waren Ständeratswahlen und somit Majorzwahlen schwieriges Terrain für die SVP. Esther Friedli hat 2023 den Bann mit ihrer Wahl in den Ständerat gebrochen. Ein gutes Vorzeichen für den Herbst 2023.
Flops in der letzten Legislatur
- Pandemie-Opposition: Die SVP wehrte sich massiv, inklusive Diktatur-Vorwurf, gegen die Coronapolitik des Bundesrats. An der Urne (Covid-Gesetz) unterlag sie aber gleich dreimal.
- SVP gegen die Städter: Die Kampagne gegen die «links-grünen Städte» verfing überhaupt nicht. Präsident Chiesa wirkte als anfänglicher Wortführer der Kampagne nicht immer glaubwürdig.
- Volk will freien Personenverkehr: Die SVP unterlag 2020 mit ihrer Begrenzungsinitiative klar – und das in ihrem Kernthema.
Auf der Erfolgswelle
Es läuft für die SVP. Die Baisse der wählerstärksten Partei scheint überwunden. Das hat vor allem mit der politischen Grosswetterlage zu tun: Der Ukraine-Krieg und die verstärkte Migration haben zwei Kernthemen der SVP in der öffentlichen Wahrnehmung weit nach oben gespült: Neutralität und Zuwanderung.
Die SVP also erhält wieder mehr Aufmerksamkeit für ihre Kernthemen: Das dürfte helfen, ihr sehr grosses Wählerpotenzial zu mobilisieren.
Die Sache mit der FDP
Wählerinnen und Wähler gewinnen ist das eine – aus möglichen Gewinnen zusätzliche Sitze zu machen, ist das andere. Hierzu ist die SVP insbesondere auf Listenverbindungen mit der FDP angewiesen.
Obwohl die SVP das von den Freisinnigen fast ultimativ fordert, zeichnet sich noch keine markante Zunahme dieser Verbindung in den Kantonen ab. Vielmehr führen Provokationen wie im Sommer rund um betende Angehörige der Schweizer Armee zu intensiven Diskussionen an der FDP-Basis, ob eine «Zweckehe» mittels Listenverbindung wirklich wünschbar ist.
Gewiefte Wahlkämpferin
Inhaltlich setzt die SVP auf Bewährtes: Die Kernthemen bleiben sich gleich – ebenso die Methoden. Die SVP beherrscht die mediale und politische Klaviatur und erzielt mit gezielten Provokationen (Tweets und Plakatsujets) grosse Reichweite. Die Zeichen für einen Wählerzuwachs stehen gut.
Entscheidend für einen möglichen weiteren Machtausbau im Bundeshaus wird der Ständerat. Als Polpartei hat es die SVP in den Mehrheitswahlen für den Ständerat traditionell schwer. Das wird auch diesmal so sein – der Partei fehlt es an einem breiten Feld von «eingemitteten» Kandidierenden. Allerdings zeigt der jüngste Wahlerfolg für Esther Friedli im Kanton St. Gallen, dass ein Zuwachs nicht unmöglich ist.
Das Problem mit den Köpfen
Auch wenn die Zeichen insgesamt gut stehen für die SVP, sollte das nicht hinwegtäuschen über ungelöste Probleme: Parteipräsident Marco Chiesa hat die in ihn gesetzten Hoffnungen nicht erfüllen können. Ein Blick auf die erweiterte Führungsriege mit Thomas Aeschi, Magdalena Martullo-Blocher, Thomas Matter oder Marcel Dettling zeigt: Der Partei fehlen starke Figuren, die sowohl Einfluss haben gegen innen als auch charismatisch gegen aussen wirken.
Auch Bundesrat Guy Parmelin hat sich nicht zum Aushängeschild entwickeln können. Bei Albert Rösti dürfte das anders sein. «Doyen» Christoph Blocher dürfte sich altersbedingt noch weiter zurückziehen und an Ausstrahlung verlieren.