In der Stadt Zürich können kleine Verschiebungen grosse Unterschiede machen. Vor vier Jahren hat die Mitte – damals noch als CVP – den Einzug ins Stadtparlament verpasst. Die Partei hat damals in keinem Wahlkreis mehr als die geforderten fünf Prozent erreicht. Am gestrigen Wahlsonntag legte sie insgesamt nur 0.7 Prozent zu im Vergleich mit 2018 – übersprang aber diese Hürde und gewann damit gleich sechs Sitze.
Die Präsidentin der Mitte in der Stadt Zürich, Karin Weyermann, sagt: «Wir hätten auch vor vier Jahren vier oder fünf Sitze gehabt, wenn wir in einem Kreis die Fünf-Prozent-Hürde erreicht hätten. Dass es nun sechs Sitze sind, ist natürlich toll, da wir uns wirklich gesteigert und die Wahlen gewonnen haben.»
Trend zu weniger Polarisierung?
Zu dieser Steigerung beigetragen habe ohne Frage der neue Name, ist Mitte-Nationalrat Philipp Kutter überzeugt. Die Partei profitiere gerade in urbanen Gebieten davon, dass sie sich vor knapp einem Jahr im Kanton Zürich umbenannt habe.
«In städtischen Gebieten und Agglomerationen haben wir eine stärkere Distanzierung von Kirche und Staat als in anderen Regionen des Landes. Wir hatten schon in der Vergangenheit Diskussionen über den Parteinamen.»
Das habe sich am Sonntag nicht nur in Zürich gezeigt, sondern auch in den Städten Winterthur, Dietikon oder Schlieren, wo die Mitte überall Sitzgewinne verzeichnen kann. Genau gleich wie die Grünliberalen – eine andere Partei, die sich im Raum Zürich in der Mitte etabliert hat.
Darin zeige sich auch der Trend, dass die Menschen ein Ende der Polarisierung wünschten, glaubt Mitte-Nationalrat Kutter: «Die Menschen haben in den vergangenen zwei Jahren der Pandemie darunter gelitten, dass es Risse gab und die Gesellschaft auseinandergetrieben wurde. Man sehnt sich nach Zusammenhalt – und das ist etwas, das wir anbieten.»
Zürich als Signal für nationalen Aufbruch?
Gewonnen haben Mitte und GLP auf Kosten der Pol-Parteien – am stärksten zeigt sich das in der Stadt Zürich. Die SP verlor vier Prozent, die SVP auf der anderen Seite zwei Prozent. Dieselbe Entwicklung gab es – wenn auch weniger ausgeprägt – in den drei anderen Zürcher Städten.
Bei der Mitte muss man abwarten. Sie hat neben dem Namenswechsel auch die Fusion mit der BDP zu verdauen.
Ob die Mitte mit dem neuen Namen Erfolg über die Zürcher Städte hinaus hat, bleibe abzuwarten, sagt Lukas Golder vom Forschungsinstitut GFS Bern: «Es kann tatsächlich ein erster wichtiger Trend in Richtung der nationalen Wahlen sein.»
Auch der FDP sei es 2014 gelungen, in der Stadt Zürich wieder Fuss zu fassen. «Das war ein erstes Zeichen dafür, dass die Partei wieder im Aufstieg begriffen war. Aber gerade bei der Mitte muss man abwarten. Sie hat neben dem Namenswechsel auch die Fusion mit der BDP zu verdauen.»
Wie sich das auswirke und wie gut der neue Name in ländlichen Regionen ziehe, zeige sich am besten bei den Wahlen im Kanton Bern Ende März, sagt Golder.