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Wechsel an der Parteispitze Konfrontation oder Kooperation: Quo vadis SVP?

SVP-Präsident Marco Chiesa tritt nicht zur Wiederwahl an. Damit stellen sich nicht nur Personal-, sondern auch Richtungsfragen.

Die grösste Partei der Schweiz sucht nach dem Rücktritt von Marco Chiesa eine Führungspersönlichkeit. Die Person, die das Parteipräsidium der SVP übernimmt, muss motivieren können, gut kommunizieren und sich für die Partei reinknien – und sie muss den Erfolg der SVP weiterführen und die Partei für die kommenden Herausforderungen richtig aufstellen.

Marco Chiesa kommentierte seinen Rücktritt ganz in SVP-Manier: Gegenüber RSI sprach er die Kernthemen der Partei an und betonte die klare politische Linie: «Das Hauptziel eines Präsidenten und mein Ziel im Besonderen bestand darin, eine klare politische Linie zu Themen zu haben, die mir am Herzen liegen.» Chiesa nennt hier die «Masseneinwanderung», die Asylpolitik und die Energieversorgung des Landes. «Ich glaube, dass ich das Ziel meiner Präsidentschaft somit erreicht habe.»

Fraktionschef betont Oppositionskurs

Die Wahlen im vergangenen Herbst waren für die SVP ein Erfolg – die Partei erzielte das drittbeste Ergebnis der Geschichte. Doch da liegt noch mehr drin, findet SVP-Fraktionspräsident Thomas Aeschi. Schliesslich habe die SVP vor ein paar Jahren knapp an der Dreissig-Prozent-Grenze gekratzt.

Diese SVP-Grössen werden für die Chiesa-Nachfolge gehandelt

Aeschi betont die Oppositionshaltung in für die SVP zentralen Themen: bei der Migration und bei der Zusammenarbeit mit der EU. «Wir wollen, dass das Schweizer Volk weiterhin zuoberst ist. Wir wollen selber bestimmen, welche Gesetze und Regeln in diesem Land gelten. Ich bin überzeugt, dass wir diesen Kampf gegen die institutionelle Anbindung der Schweiz an die EU gewinnen werden.»

Muss die SVP mehr Allianzen schmieden?

Oppositionspolitik als Erfolgsrezept? Nicht unbedingt. Es gibt innerhalb der SVP auch Stimmen, die mehr Konsens fordern. SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann sagt, die Zusammenarbeit mit anderen Parteien und Fraktionen sei für die SVP besonders wichtig: «Bisher kommt es meines Erachtens zu oft vor, dass wir etwas vom Kuchen abgeschnitten werden. Dort, wo der Kompromiss stattfindet, muss sich die SVP in Zukunft besser einbringen können.» Dies werde die grosse Herausforderung der kommenden Jahre sein, sagt Steinemann.

Hinter der Bühne bietet die SVP bei verschiedenen Themen, bei denen sie nicht derart starke rote Linien hat, schon auch Hand.
Autor: Marc Bühlmann Professor für Politikwissenschaft an der Universität Bern

Die Oppositionshaltung betonen oder vermehrt den Konsens suchen? Es sei ein Spagat, den die SVP hier vollbringen müsse, sagt Marc Bühlmann, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Bern. Und diesen Spagat beherrsche die Partei bereits relativ gut.

Hand bieten – aber hinter der Bühne

Man müsse hier zwischen auf der Bühne und hinter der Bühne unterscheiden, sagt der Politologe. «Die SVP spielt dieses Bühnenspiel relativ gut: In der Öffentlichkeit bearbeitet sie ihre Kernthemen.» Dies seien derzeit vorderhand die Migrations- und in geringerem Mass die Europapolitik. «Hinter der Bühne bietet die SVP bei verschiedenen Themen, bei denen sie nicht derart starke rote Linien hat, schon auch Hand.»

Allzu viel ändern müsse die SVP an dieser Strategie daher nicht. Und doch glaubt Bühlmann, dass es nicht mehr viel Wachstumspotential für die Partei gibt. Heisst: Die SVP ist nach dem Wahlerfolg ein Stück weit in einer Verteidigungsposition. Und einen Erfolg verteidigen ist in der Schweizer Politik immer schwieriger als gewinnen. Auf den Lorbeeren ausruhen darf sich der neue Parteipräsident oder die neue Parteipräsidentin also keineswegs.

Info3 3, 28.12.2023, 17 Uhr

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