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Wegovy, Ozempic und Co. Prämienzahlende zahlen Abnehmspritzen

Übergewichtige Menschen setzen ihre Hoffnung auf Abnehmspritzen wie Ozempic oder Wegovy. Seit Frühjahr 2024 übernehmen die Krankenkassen teilweise die Kosten dafür.

Barbara wiegt heute etwas mehr als 60 Kilogramm. Sie ist ihr starkes Übergewicht losgeworden. Trotz Trennkost, Kalorienzählen und viel Bewegung ist es der 50-Jährigen lange nicht gelungen, ihr Gewicht nachhaltig zu reduzieren. Ihr hat am Ende die Abnehmspritze geholfen. Das verschreibungspflichtige Medikament kann eine Unterstützung sein, um Gewicht zu verlieren.

SRF-Podcast: Die Spritze – zwischen Hype und Hoffnung

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Injektion mit Massband, SRF-Logo.
Legende: SRF

In der neuen Serie von «News Plus Hintergründe» wird der Hype um die Abnehmspritze seziert. Was kosten uns die neuen Medikamente – wirtschaftlich, politisch und gesellschaftlich?

Derzeit nimmt Barbara die Abnehmspritze – auf Kosten der Allgemeinheit. Seit März 2024 übernimmt die Krankenkasse die Kosten für die Abnehmspritze unter gewissen Bedingungen.

Wann bezahlt die Krankenkasse die Spritze zum Abnehmen?

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Die Behandlung wird nur übernommen, wenn gewisse Bedingungen erfüllt sind. Dazu gehört ein BMI über 35, wenn keine Begleiterkrankung vorliegt, und ein BMI über 28, wenn eine Begleiterkrankung vorliegt – zum Beispiel Bluthochdruck oder Schlafapnoe.

Weitere Bedingungen sind etwa eine Ernährungsumstellung und regelmässige ärztliche Erfolgskontrollen. Neben Wegovy gibt es weitere Injektionen zur Gewichtsreduktion, wie beispielsweise Mounjaro. Dieses Präparat wird aber derzeit nicht von der Krankenkasse erstattet.

Eine halbe Prämie pro Person

Es zeigt sich: Seit das Präparat Wegovy mit dem Wirkstoff Semaglutid von der Grundversicherung übernommen wird, steigen die Bezüge stark an. Laut dem Krankenkassenverband Prio Swiss gab es in den ersten Monaten nach Markteinführung ein steiles Mengenwachstum bei Wegovy.

Verschiedene Wirkstoffe

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Bevor Wegovy mit dem Wirkstoff Semaglutid von der Krankenkasse übernommen wurde, waren insbesondere die Spritzen Saxenda (Wirkstoff Liraglutid) sowie das Diabetesmedikament Ozempic (Wirkstoff Semaglutid) im Gebrauch. In der Schweiz erhältlich ist zudem das Präparat Mounjaro, das jedoch nicht von der Krankenkasse vergütet und somit lediglich an Selbstzahlende abgegeben wird.

So hätte alleine das Medikament von Novo Nordisk im letzten Jahr Kosten in der Höhe von 43 Millionen Franken verursacht. Rund 40’000 Personen hätten das Medikament Ende 2024 demnach via Grundversicherung bezogen.

Wachstum hält weiter an

Laut dem Bundesamt für Gesundheit wurden im Jahr 2024 knapp eine Viertelmillion Monatsdosen über die Krankenkasse vergütet. In den ersten drei Monaten dieses Jahres waren es bereits 120’000 Packungen. Also bereits die Hälfte dessen, was im vergangenen Jahr gezählt wurde.

Mittelfristig ist es möglich, dass die Kosten für Wegovy jährlich 300 Millionen Franken betragen.
Autor: Adrien Kay Krankenkassenverband prio.swiss

Der Sprecher des Krankenkassenverbands, Adrien Kay, rechnet damit, dass sich diese Menge künftig vervielfachen wird: «Mittelfristig wäre es möglich, dass zwei Prozent der Erwachsenen Bevölkerung Wegovy erhält, und in diesem Fall würden allein die durch dieses Medikament verursachten Kosten 300 Millionen Franken betragen.»

Lebenslange Medikamente fürs Schlanksein?

Erste Studien zeigen, dass Patienten und Patientinnen wieder zunehmen, wenn sie das Medikament absetzen. Dazu sagt Adrien Kay: «Daten weisen darauf hin, dass man möglicherweise sogar mehr zunimmt, als man am Anfang gewogen hat.»

Eine Frau hält einen Wegovy-Pen in ihren Händen.
Legende: Erste Studienresultate zeigen, dass wer Wegovy nicht mehr nimmt, auch wieder zunimmt. KEYSTONE/AMANDA ANDRADE-RHOADES

Für den Spezialisten Philipp Gerber, Leiter des Adipositaszentrums am Universitätsspital Zürich, ist das typisch für chronische Erkrankungen: «Bei vielen Medikamenten ist es normal, dass der Effekt aufhört, wenn man sie nicht mehr nimmt. Blutdruck- oder Cholesterinsenker wirken auch nur so lange, wie man sie einnimmt. Adipositas verstehen wir als chronische Krankheit, die deshalb einer chronischen Therapie bedarf.»

Adipositas und die Kosten

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In der Schweiz sind 43 Prozent der erwachsenen Bevölkerung übergewichtig oder adipös, von Adipositas betroffen sind 12 Prozent (Schweizerische Gesundheitsbefragung 2022). Das Bundesamt für Gesundheit schreibt, Adipositas sei eine chronische Erkrankung. Die Kosten dafür hätten sich in den letzten Jahren vervielfacht. Im Jahr 2012 beliefen sich die direkten und indirekten Gesundheitskosten beispielsweise auf acht Milliarden Franken. Eine neue Berechnung seitens des Bundes wird für die zweite Jahreshälfte 2025 erwartet.

Politik will Antworten

Die Kostenübernahme durch die Krankenkassen ist vorerst bis Ende Februar 2027 limitiert. 2026 wird Novo Nordisk beim Bundesamt für Gesundheit einen neuen Antrag einreichen müssen. Mittlerweile sorgt die Abnehmspritze für Fragen in der Politik. Damian Müller (FDP/LU) hat eine Interpellation eingereicht mit dem Titel: Abnehmspritzen in der Grundversicherung – Nachhaltig oder kostentreibend?

Heute lässt sich diese Frage so noch nicht endgültig beantworten. Es gibt noch schlicht zu wenig Erfahrungen und Untersuchungen dazu, ob sich die Kostenübernahme durch die Krankenkasse langfristig auszahlt, ob dadurch Begleiterkrankungen von starkem Übergewicht reduziert werden können, die heute hohe Kosten in unserem Gesundheitssystem verursachen können.

Klar ist: Die Medikamente und der Preis, den wir dafür bezahlen, sorgen noch ein Weilchen für Diskussionsstoff.

Diskutieren Sie mit:

SRF 4 News, 18.6.2025, 3 Uhr;brus

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