Quarantäne und Homeoffice-Pflicht sind aufgehoben. Und der Bundesrat plant weitere Lockerungen. Zur Debatte steht unter anderem, die Masken- und Zertifikatspflicht per 17. Februar aufzuheben. Doch Michael Jordi von der Gesundheitsdirektorinnen- und -direktorenkonferenz (GDK) äussert sich zurückhaltend zu diesen Plänen. Im Fall der Fälle müssten Massnahmen rasch wieder hochgefahren werden können, sagt er.
SRF News: Der Bundesrat sprach von einem «guten Tag», als er am Mittwoch Lockerungen ankündigte. Wie optimistisch sind Sie?
Michael Jordi: Die Entwicklung der epidemiologischen Lage liefert gute Gründe für Optimismus, aber gleichzeitig ist auch mit Blick auf die hohe Positivitätsrate, aber auch der daraus folgenden hohen Dunkelziffer bei den gemeldeten Fällen schon eine gewisse Vorsicht geboten.
Die Öffnung sollte schrittweise und kontrolliert erfolgen.
Aus unserer Sicht müssen die bestätigten Fälle sowie die Hospitationen jeden Höhepunkt überschritten haben und nachhaltig sinken, bevor die Aufhebung weiterer Schutzmassnahmen beschlossen werden sollte. Das heisst nicht, dass das nicht in den nächsten Wochen schon geschehen kann. Aber die Öffnung sollte schrittweise und kontrolliert erfolgen.
Seit Mitternacht ist die Quarantäne aufgehoben, die Isolation positiver Personen gilt noch. Was bedeutet das für das Contact Tracing der Kantone? Werden nun reihenweise Leute entlassen?
Das kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Aber es ist klar, dass das Contact Tracing betroffen ist. Es gibt auch ein gewisses Risiko dabei für die mittlere Zukunft, weil wir sicherstellen wollen, dass wir Infektionsherde, sofern sie wieder entstehen sollten, orten können und zurückverfolgen. Aber es bedeutet ein Zurückfahren der Kapazitäten.
Vielleicht müssen Sie diese Teams in kurzer Zeit wieder aufbauen. Wie schaffen Sie es, da gewissermassen eine Reserve zu haben?
Momentan ist das grosse Thema ein geordneter Übergang. Der Verlauf der Pandemie ist noch immer sehr schwer vorherzusagen, da wir alle kein Enddatum kennen. Auch die Experten nicht. Wir müssen also nach wie vor in Szenarien denken und flexibel bleiben, und zwar alle, Bund, Kantone, Bevölkerung, Betriebe, und ein Gleichgewicht finden zwischen Normalität und Vorsicht, aber auch rascher Handlungsfähigkeit.
Wir haben nach wie vor eine unsichere Zeit vor uns, sicherlich bis in den nächsten Herbst und Winter hinein.
Das heisst, die Kantone werden maximal flexible Strukturen brauchen, bei der Ausbruchsbekämpfung, beim Impfen und beim Testen.
Es gilt weiterhin die besondere Lage. Das heisst, der Bundesrat hat Kompetenzen, die normalerweise bei den Kantonen liegen. Wäre es nicht angezeigt, wieder in die normale Lage zurückzukehren?
Was ist die normale Lage? Das ist die grosse Frage. Wir haben nach wie vor eine unsichere Zeit vor uns, sicherlich bis in den nächsten Herbst und Winter hinein. Das heisst nicht, dass wir uns nicht wieder normaler oder normal im Alltag bewegen können. Aber wir müssen vorsichtig bleiben.
Deshalb braucht es Instrumente, damit sowohl Bund wie auch Kantone intervenieren können. Und die besondere Lage ist übrigens nicht eine Lage, die der Bundesrat selbst aufheben oder beschliessen kann, sondern sie ist auch an die Einschätzung der WHO gebunden.
Das heisst, die Kantone sind nicht dagegen, dass wir weiterhin in der besonderen Lage sind?
Die Verordnung zur besonderen Lage wird an Wert verlieren, sie wird vielleicht sogar aufgehoben. Aber das heisst nicht, dass sie als Definition einer Situation weltweit einfach für beendet erklärt werden kann.
Das Gespräch führte Gaudenz Wacker.