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Wenig Nachfrage Die neuen Sozialdetektive will niemand so richtig

Detektivarbeit im Kampf gegen Sozialhilfemissbrauch ist bisher kaum gefragt. Die Zurückhaltung ist wider Erwarten gross.

Im Kanton Zürich können sogenannte Sozialdetektive bald wieder loslegen. Das Zürcher Stimmvolk hat am 7. März eine Rechtsgrundlage angenommen, die den Einsatz regelt. Im Auftrag von Gemeinden observieren sie Personen, bei denen der Verdacht auf Sozialhilfemissbrauch besteht.

Auch andere Kantone arbeiten an einer Rechtsgrundlage, denn diese braucht es gemäss einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte EGMR. Auf Bundesebene gibt es diese Rechtsgrundlage bereits: Seit Oktober 2019 dürfen Sozial- und Unfallversicherungen wieder Detektive zur Observation einsetzen.

Strenge Vorgaben

Das geschieht aber nur sehr zurückhaltend. Eine Observation sei immer auch ein Eingriff in die Privatsphäre der Leute, sagt Harald Sohns vom Bundesamt für Sozialversicherung, das die offiziellen Bewilligungen für Sozialdetektive erteilt.

Die Detektive müssen sich an klare Regeln halten: Beobachtungen sind nur von öffentlichem Grund aus erlaubt. Leute dürfen nur in Bereichen beobachtet werden, die von blossem Auge wahrnehmbar sind. Grosse Teleobjektive sind verboten. Das Betreten eines privaten Vorgartens würde als Hausfriedensbruch geahndet.

Eine Bewilligung als Sozialdetektiv erhält nur, wer keinen Eintrag im Strafregister hat. Zudem müssen Sozialdetektive ausreichende Rechtskenntnisse und eine Observationsausbildung haben.

Ausbildner der ersten Stunde

Eine solche Sozialdetektiv-Ausbildung nach den Vorgaben des Bundes bietet als eine von wenigen die Zürcher Firma BCS an. Geschäftsführer Pascal Oswald hatte kurz nach Einführung des neuen Gesetzes die ersten Sozialdetektive ausgebildet: «Wir waren die Ersten, und es war ein grosser Erfolg. Der Austausch mit den anderen Spezialisten hat uns sehr gefreut. Das Feedback war sehr positiv.»

Die Nachfrage auf dem Markt für Observationsspezialisten ist kleiner als erwartet.
Autor: Pascal Oswald Geschäftsführer BCS

Zu weiteren Ausbildungskursen ist es laut Oswald aber mangels Interessenten bisher nicht gekommen. Den Grund dafür sieht er nicht etwa bei der Corona-Pandemie. Er vermutet vielmehr, dass die Nachfrage kleiner ist als erwartet.

Privatdetektiv: Das öffentliche Gefühl trügt

Das beobachtet auch Erich Wunderli, der seit 35 Jahren im zürcherischen Dübendorf als Privatdetektiv arbeitet: «Die Nachfrage ist tatsächlich nicht sehr gross. Unser Brot verdienen wird nicht an den Sozialhilfeaufträgen», sagt er ernüchtert. Die potenziellen Auftraggeber wie IV-Stellen und Sozialversicherungen seien sehr zurückhaltend. Das öffentliche Gefühl, Versicherungen kontrollierten nun prinzipiell und systematisch alle IV-Bezüger, sei falsch.

Unser Brot verdienen wird nicht an den Sozialhilfeaufträgen.
Autor: Erich Wunderli Privatdetektiv

Diesen Eindruck bestätigt eine Nachfrage bei kantonalen IV-Stellen: In Luzern gab es seit Oktober 2019 nur fünf Observationen durch Sozialdetektive, Zürich hat vier Observationen in Auftrag gegeben, Bern deren drei, und die Aargauer IV-Stelle gar keine.

Suva kaum noch aktiv

Auch die Unfallversicherung Suva mit jährlich 490'000 Schadensmeldungen hat laut eigenen Angaben seit der Einführung des neuen Gesetzes noch keine einzige Observation angeordnet. Vor dem EGMR-Urteil seien es noch 15 Observationen jährlich gewesen.

Man habe in den letzten Jahren die Missbrauchsprävention intensiviert und sei so nicht mehr so stark auf Detektive angewiesen, schreibt die Suva: Observationen würden sehr zurückhaltend eingesetzt – «als letztes Mittel in kostenintensiven Einzelfällen, bei denen ein konkreter Anfangsverdacht besteht.»

Echo der Zeit, 09.03.2021, 17:00 Uhr

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