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Weniger Schnee Keine Erholung für Gletscher – Schneedecke geht zurück

Messungen von ETH-Forschern zeigen, dass diesen Winter für die Gletscher deutlich zu wenig Schnee gefallen ist.

Frisch verschneit strahlen die Schweizer Alpen weiss in der Frühlingssonne. Nach wenig Schnee zu Beginn der Saison schneite es im März und April dann doch noch.

Trotzdem liegt wenig Schnee in den Bergen und auf den Gletschern, stellt der Glaziologe Matthias Huss fest: «Die Messungen zeigen, dass wir momentan auf den Gletschern sehr wenig Schnee haben. Nicht ganz so wenig wie 2022, aber deutlich weniger als normal.»

Ein Drittel weniger Schnee

Huss lehrt an der ETH Zürich und leitet das Schweizer Gletschermessnetz Glamos, betrieben von der ETH und den Universitäten Zürich und Freiburg. Jeweils Ende April steigen er und sein Team auf verschiedene Gletscher, um dort die Dicke der Schneedecke zu messen. Diese Werte reihen sich dann ein in die jährlichen Messreihen und geben Aufschluss über den aktuellen Zustand des Gletschereises.

Mann steht auf einem Schneefeld.
Legende: Das Glamos-Team bei einer Gletschermessung auf dem Aletschgletscher. Glamos

«Vor allem im Süden und im Osten haben wir zwischen 30 und 50 Prozent weniger Schnee als im Durchschnitt. Ganz im Westen ist es etwas besser, dort liegt die Schneehöhe sogar leicht darüber», sagt Huss. Insgesamt aber liege der Wert ein Drittel unter dem Erwartungswert.

«Handicap für den Sommer»

Für die Gletscher ist das schlecht, denn sie brauchen den Schnee als Schutz vor Sonne und Wärme. Im trockenen und heissen Sommer 2022 sind die Gletscher zurückgegangen wie noch nie, das haben auch die europäischen Gletschermessungen jüngst belegt.

Der ETH-Forscher erklärt: «Schnee ist im Sommer für die Gletscher die natürliche Schutzschicht. Je weniger Schnee im Winter fällt, desto früher wird der Gletscher freigelegt und beginnt zu schmelzen. Ein schlechter Winter wie jetzt ist ein Handicap für den Sommer.»

Mann läuft in einem Trampelpfad auf einer riesigen Schneefläche
Legende: Ein Drittel weniger Schnee als üblich liegt aktuell auf den Schweizern Gletschern. Glamos

Der Schnee auf dem Gletscher hat noch eine zweite Funktion – er nährt den Gletscher, wenn er in den hohen Lagen zu Eis wird. Liegt also wenig Schnee, ist das doppelt schlecht für die Gletscher – wie auch Hugo Raetzo beim Bundesamt für Umwelt feststellt. Er ist zuständig für die Themen Gletschermessungen und Permafrost. «Wir haben bereits den Trend der Gletscherschmelze, welcher langfristig stattfindet und in einigen Gebieten dramatisch ist.»

Gletscher zerfallen regelrecht

Ob die Gletscher weiter rasant schmelzen wie im letzten Sommer, hängt vom Wetter ab und ist noch offen. Langfristig setze sich der Trend aber fort und sei in den Bergen offensichtlich, sagt Raetzo: «Man sieht die Veränderungen auf den Gletscherzungen sehr gut. Die Gletscher werden schwarz durch das viele Geröll.» Die Spalten seien ebenfalls ein grosses Problem, an gewissen Orten zerfalle der Gletscher regelrecht.

Gletscher.
Legende: Der Aletschgletscher im Juli 2022. Keystone/Andrea Soltermann/Archiv

Dabei beschleunigen trockenes Wetter und hohe Temperaturen diese Prozesse. Sie wirken sich auf die gesamte alpine Landschaft aus – wenn Eis und Permafrost schwinden, geraten Hänge ins Rutschen und es kommt zu Felsstürzen.

Die jüngsten Gletschermessungen in den Schweizer Alpen zeigen: Die Gletscher haben sich in den Wintermonaten nicht erholen können.

Echo der Zeit, 28.04.2023, 18:00 Uhr

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