Zum Inhalt springen

Whistleblower-Affäre am USZ «Man wird potenziell vernichtet»

Erstmals tritt der Whistleblower des Universitätsspitals Zürich aus dem Schatten der Anonymität. Sein Name: André Plass. Sein Fazit: vernichtend. Er würde es wohl nicht mehr tun, sagt er in einem Interview mit SRF.

«Aufgrund der Gesamtentwicklungen frage ich mich wirklich, warum ich mir das angetan habe und ob es nicht besser gewesen wäre, wegzuschauen», erklärt André Plass. Für ihn ist klar: Er würde wohl nicht mehr auf mögliche Missstände am Universitätsspital Zürich hinweisen.

Was Plass im Dezember 2019 am Unispital losgetreten hat, habe für ihn als leitenden Arzt in einem Desaster geendet. Er wies damals die Spitalleitung auf mögliche Missstände an der Herzklinik hin. Im Fokus: Francesco Maisano, der Leiter der Herzklinik. Die Vorwürfe: geschönte Berichte, Interessenskonflikte und die Gefährdung der Patientensicherheit.

Maisano widerspricht Vorwürfen

In zwei externen Untersuchungen bestätigten sich die Vorwürfe zum Teil: Maisano habe Darstellungen in wissenschaftlichen Publikationen «deutlich geschönt bzw. verfälscht» und «nicht korrekt wiedergegeben». Auch gegen die Vorschriften bezüglich Nebenbeschäftigungen von Professoren habe er verstossen.

Maisano widerspricht diesen Ergebnissen. Keiner der Untersuchungsberichte kam jedoch zum Schluss, dass Maisano die Patientensicherheit gefährdete. Er arbeitet inzwischen nicht mehr am Unispital.

Vertraulicher Bericht: «kein Fehlverhalten»

Doch der 47-jährige André Plass geriet nach seinem Whistleblowing selber in die Schusslinie und wurde massiv von Mitarbeitenden beschuldigt, zum Teil anonym. Auch diese Vorwürfe wurden untersucht. Der vertrauliche Abschlussbericht liegt SRF vor.

Es geht um mehrere Fälle, «in denen Plass durch die Verletzung seiner Sorgfaltspflicht oder aufgrund handwerklicher Mängel die Gesundheit von Patienten geschädigt oder womöglich sogar deren Tod verursacht haben soll.» Doch diese schweren Vorwürfe treffen nicht zu. Der Bericht kommt zum Schluss: «kein Fehlverhalten von André Plass.»

Plass leitet rechtliche Schritte ein

Für André Plass ist klar, dass er sich gegen die massiven Vorwürfe zur Wehr setzt: «Die Vorwürfe waren in höchstem Mass rufschädigend, auch weil sie sehr schnell an die Medien weitergereicht wurden. Ich lasse das so nicht stehen und habe rechtliche Schritte eingeleitet.»

Der Abschlussbericht über André Plass legt jedoch den Schluss nahe, dass der leitende Arzt als Person umstritten war, zuweilen polarisierte und möglicherweise «Schwächen im Umgang mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern» zeigte.

Gleichzeitig relativiert der Bericht solche Einschätzungen, denn die «vorliegenden Schilderungen dürfen nicht losgelöst von der ‹Affäre Maisano› und der sich daraus entwickelnden Dynamik interpretiert werden. Die Untersuchungsbeauftragte kann nicht ausschliessen, dass einzelne Personen mit ihren Vorwürfen an die Adresse von Plass auch sachfremde, persönliche Interessen verfolgt haben mögen».

«Whistleblowing ist polarisierend»

André Plass kann durchaus nachvollziehen, dass Whistleblowing polarisierend ist. Bezüglich der Kritik an seiner Person sagt er: «Es gibt in einem hochkompetitiven Umfeld wie am Unispital durchaus Reibungspunkte mit anderen Personen, aber das ist normal. Ein Machtkampf, wie nun nachträglich behauptet wird, bestand aber nicht.»

Bis Anfang März 2021 wurde der Name des Whistleblowers in mehreren Artikeln in der «Weltwoche» erwähnt. Auch die «Republik» machte den Namen publik. Am 4. März veröffentlichte schliesslich auch die zuständige Aufsichtskommission des Zürcher Kantonsrats in ihrem offiziellen Bericht über die Problemfelder am Unispital den Namen des Whistleblowers, «Privatdozent Dr. Plass».

Der Betroffene kann diesen Schritt nicht nachvollziehen und kritisiert das Vorgehen der Kommission: «Die Namensnennung war nicht notwendig und ist für mich fatal, da ich nun eine Person des öffentlichen Interesses bin. Das wollte ich nie. Doch nun nehme ich Stellung mit meiner Identität. Ich habe nichts zu verbergen, ich stehe zu meinem Handeln.»

Transparency Schweiz kritisiert Aufsichtskommission

Kritik am Vorgehen der Kommission äussert auch der Geschäftsführer von Transparency International Schweiz, Martin Hilti: «Es ist sehr heikel, wenn Arbeitgeber oder Aufsichtskommissionen den Namen des Whistleblowers nennen, denn die Vertraulichkeit muss einen sehr hohen Stellenwert geniessen, ansonsten wird das ganze System des Whistleblowings gefährdet und infrage gestellt.»

Die Kantonsrätin Arianne Moser ist die Leiterin der zuständigen Kommission. Eine Anonymisierung sei thematisiert worden, doch sie wurde verworfen, aus Transparenzgründen – und man habe alle involvierten Personen gleich behandeln wollen, erklärt sie.

«Die Aufgabe der Subkommission war es, die Vorkomnisse am Unispital zu untersuchen. Wir versuchten die Chronologie sachlich und transparent darzustellen. Zur Transparenz gehören auch die Namen der Beteiligten in diesem internen Machtkampf. Der leitende Arzt war aktiv in diesen Machtkampf involviert. Es gab keinen Grund, ihn anders zu behandeln als alle anderen Beteiligten.»

Diese Aussage kritisiert Martin Hilti von Transparency Inetrnational Schweiz: «Hier scheinen Sachen vermischt zu werden. Der Kontext und das Motiv dürfen keine Rolle spielen beim Schutz des Whistleblowers. Wenn jemand aus nachvollziehbarem Verdacht eine Unregelmässigkeit meldet – und das ist das alleinige Kriterium, das massgebend sein muss – muss die Person geschützt werden.»

André Plass sagt, dass es ihm nie um seine Person gegangen sei, sondern um die Sache. Doch er würde es wohl nicht mehr tun.

Für das Universitätsspital Zürich ist es wichtig, dass potenzielle Missstände gemeldet werden, wie eine Sprecherin gegenüber SRF festhält: «Zu diesem Zweck stehen den Mitarbeitenden verschiedene Meldestellen im USZ, beispielsweise aber auch eine extern geführte Ombudsstelle sowie eine Plattform zur Absetzung anonymer Meldungen zur Verfügung.»

10vor10, 26.03.21, 21:50

Meistgelesene Artikel