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Wolfpopulation in der Schweiz Rechtsstreit um Wolfsabschussverfügung im Kanton St.Gallen

  • Das Bundesgericht urteilt: Behörden und Justiz im Kanton St. Gallen haben sich 2023 bei der Beurteilung einer Abschussverfügung für einen Wolf auf unvollständige und unzureichende Dokumente gestützt.
  • Eine entsprechende Beschwerde von Pro Natura wurde gutgeheissen.
  • Auch das Bundesamt für Umwelt hält die Formulare des entsprechenden Herdenschutzbeauftragten für unvollständig und rudimentär.
  • Immerhin hatte die rechtswidrige Verfügung für das Wolfspaar keine Konsequenzen: Es lebt noch, wie Sara Wehrli von Pro Natura auf Anfrage sagt.

Das höchste Schweizer Gericht hat einer Beschwerde von Pro Natura gegen einen von den St. Galler Behörden bewilligten Wolfsabschuss stattgegeben. Es geht dabei um eine Abschussverfügung, die gegen ein Wolfspaar – Fähe F35 und Wolfsrüde M111 – erlassen wurde. Das Paar ist seit 2019 im Schils- und Weisstannental unterwegs.

Ein Wolf, der sich das Maul leckt
Legende: Eine Abschussverfügung aus dem Kanton St. Gallen im Jahr 2023 war rechtswidrig. (Symbolbild) Keystone/Michael Buholzer

Im Spätsommer 2023 wurde im Schilstal an zwei verschiedenen Tagen je ein Schaf gerissen. Einer der Angriffe konnte auf der Basis von DNA-Daten der Fähe F35 zugeordnet werden.

Bei einer weiteren Attacke am 11. November 2023 wurden acht Schafe getötet. Die Herde war durch einen Elektrozaun geschützt. Welche Wölfe die acht Schafe getötet hatten, konnte aufgrund von DNA-Spuren oder anderen Hinweisen nicht exakt bestimmt werden.

In der Folge gab das Amt für Natur, Jagd und Fischerei des Kantons St. Gallen den Rüden oder die Fähe mit einer Verfügung vom 16. November 2023 zum Abschuss frei. Die auf sechs Wochen befristete Bewilligung lief im Januar 2024 aus.

Abschuss als letztes Mittel

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Abschüsse von Wölfen, die gemäss Berner Konvention als streng geschützte Tierart gelten, sind nur möglich, wenn einzelne Tiere einen erheblichen Schaden anrichten und umgesetzte Massnahmen nichts gebracht haben. Dazu gehören der Einsatz von Herdenschutzhunden oder Elektrozäunen.

Abschüsse sind zudem erst zulässig, wenn ein Wolf in seinem Streifgebiet mindestens 6 Nutztiere innerhalb von 4 Monaten getötet hat, nachdem es bereits früher Schäden durch Wölfe gegeben hat. Will ein Kanton einen Wolf oder mehrere Tiere eines Rudels abschiessen, muss er vorgängig die Zustimmung des Bundesamtes für Umwelt einholen. Geht es um einen Einzelwolf oder um ein Tier eines Paares, kann ein Kanton selbst entscheiden.

Wie das Urteil des Bundesgerichts zeigt, erfasste der kantonale Herdenschutzbeauftragte den Riss der acht Schafe vom 11. November 2023 am 17. November anhand von undatierten Fotos des Zaunes. Er machte keine Begehung und es blieb unklar, ob auf dem Zaun die notwendige Spannung und ein ausreichender Herdenschutz vorhanden war.

Nur der Wildhüter war tatsächlich am gleichen Tag vor Ort und bestätigte den Schaden. Seine Aufgabe war jedoch nicht die Prüfung des Herdenschutzes, wie das Bundesgericht schreibt.

Kritik auch vom Bundesamt

Diesen Umstand kritisiert nicht nur Pro Natura. Auch das Bundesamt für Umwelt hält die Formulare des Herdenschutzbeauftragten für unvollständig und rudimentär, wie aus dem Bundesgerichtsurteil hervorgeht. Diese unvollständigen Unterlagen erachtete das St. Galler Verwaltungsgericht jedoch als ausreichend. Es wies die Beschwerde von Pro Natura ab. Laut Bundesgericht hätte sich die Vorinstanz auch nicht auf die Beurteilung der Jagdverwaltung vom 16. November 2023 stützten dürfen.

Diese habe ihren Bericht basierend auf die rudimentären Unterlagen des Herdenschutzbeauftragten gemacht. Irritierend ist dabei der Umstand, dass das Dokument der Jagdverwaltung vom 16. November stammt, jenes des Herdenschutz­-Verantwortlichen hingegen vom 17. November 2023.

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SRF 4 News, 30.07.2025, 11 Uhr ; 

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