- Die Reise eines St. Galler Amtsleiters und eines St. Galler Wildhüters sorgt seit März für Kritik.
- Regierungsrat Beat Tinner (FDP) sagte vor dem St. Galler Kantonsparlament, dass er die Reise heute anders beurteilen würde.
- Er musste Stellung nehmen, weil zwei Mitglieder des Rates einen dringlichen Vorstoss eingereicht hatten.
- Weitere Konsequenzen scheint die «Studienreise» nicht zu haben.
«Aufgrund des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskriegs würde rückblickend keine Arbeitszeit mehr für solche privat organisierten Weiterbildungen gewährt werden.» So steht es in der schriftlichen Antwort der St. Galler Regierung auf einen dringlichen Vorstoss in der laufenden Session.
Das Regionaljournal Ostschweiz von Radio SRF machte im März publik: Der Amtsleiter des St. Galler Amts für Natur, Jagd und Fischerei und ein Wildhüter unternahmen im Februar eine Weiterbildungsreise nach Russland. Sie nahmen an einer Lappjagd teil (siehe Box) und schossen auch selbst vier Wölfe.
Die beiden bezahlten die Reise zwar selbst, sie wurde aber vom zuständigen Departement bewilligt und es wurden fünf Arbeitstage zur Verfügung gestellt. Dies sorgte für Empörung und Kritik, unter anderem von Naturschutzverbänden: Dies sei keine Weiterbildungsreise, sondern privates Jagdvergnügen gewesen.
Schon kurz darauf kündigten Politiker an, entsprechende Vorstösse einzureichen. Dies geschah am Montagnachmittag kurz nach Beginn der Aufräumsession im St. Galler Kantonsrat. In einer dringlichen Interpellation forderten die Kantonsräte Thomas Schwager und Meinrad Gschwend (beide Grüne) Antworten von der Regierung.
Regierung verteidigt sich
In ihrer Antwort sieht die St. Galler Regierung die Reise aber nicht nur kritisch. So habe das Reiseziel Russland durchaus seine Berechtigung gehabt: «Kein Land in Europa kann auf eine so grosse Erfahrung mit Wölfen zurückblicken wie Russland.»
Hauptziel der Reise sei es gewesen, «die Effektivität für die zukünftige Wolfsregulierung zu verbessern.» Im Kanton St. Gallen seien innerhalb von zwei Monaten und mit 400 Stunden Aufwand nur zwei Wölfe von geplanten acht erlegt worden.
Wäre die Lappjagd in der Schweiz rechtlich möglich?
Die Regierung schreibt zudem: «Auch rechtlich ist die Lappjagd in der Schweiz umsetzbar.» Die Naturschutzverbände sehen das anders. Sie sagten im März gegenüber SRF, die Lappjagd sei in der Schweiz aus rechtlichen und tierschutzrechtlichen Gründen nicht praktikabel.
Wer hat das Gesuch damals unterschrieben?
Offen ist auch die Frage, wer das Gesuch für die Reise bewilligt hat. War es Regierungsrat Beat Tinner selbst oder sein Generalsekretär? Der Kanton wollte SRF das Gesuch nicht vorlegen. Nur der Erlebnisbericht, der zur Reise verfasst wurde, wurde herausgegeben.
Heute im Rat sagte Beat Tinner dazu: «Das Gesuch ist beim Generalsekretariat eingegangen, es wurde mir mündlich unterbreitet, und ich habe damals klar festgehalten und ich war mir damals auch bewusst: dass, wenn letztlich die Reise publik wird, es Diskussionen gibt.» Damals habe für ihn jedoch die Fachlichkeit im Vordergrund gestanden.
Zusätzliche Fragen wollten weder Beat Tinner noch sein Amtsleiter beantworten. Die Russland-Reise wird die St. Galler Politik noch weiter beschäftigen, da zwei weitere Vorstösse hängig sind.