Die Regeln der Stadt Bern sind klar formuliert: An bewilligungspflichtigen Veranstaltungen muss grundsätzlich Mehrweggeschirr verwendet werden, und zwar solches aus Kunststoff, Glas oder Porzellan. Vergleichbare Richtlinien kennen praktisch alle Schweizer Städte, so gilt beispielsweise auch in Basel eine Mehrweggeschirr-Pflicht für Anlässe im öffentlichen Raum.
Umso mehr verwundert, dass der europäische Fussballverband Uefa als Veranstalter der Women's EURO 2025 in fünf von acht Schweizer Stadien nun plötzlich Aludosen verkaufen darf. Diese werden mit eigens hierfür in den Stadien installierten Maschinen geöffnet und abgerundet, sodass aus einer Dose quasi ein Becher wird.
Bemerkenswert ist dies auch deshalb, weil sich die Gastgeberstädte das Thema «Nachhaltigkeit» sonst zuoberst auf die Fahne schreiben. «Überall, wo wir es beeinflussen können, setzen wir Mehrwegsysteme ein», sagt Marc Heeb von der Host-City Bern. Auch in Basel erhält man in den Fan-Zonen keine Dosen, das Bier des Sponsors werde in Kunststoffbecher umgeschüttet.
Aludosen trotz strengen Mehrwegregeln: Wie ist das möglich?
Nachgefragt bei Städten und Kantonen, antworten diese unterschiedlich. Die Mehrweggeschirr-Pflicht gelte nur für Einzelveranstaltungen, schreibt die Berner Wirtschaftsdirektion. Das Wankdorf-Stadion habe indes eine langfristige Betriebsbewilligung und sei daher von dieser Pflicht entbunden. Aus Basel heisst es, dass laut Gesetz in Ausnahmefällen Aludosen verkauft werden dürften, wenn kein Mehrweggeschirr eingesetzt werden könne.
Bei den Aludosen im Stadion handelt es sich um einen Pilotversuch der Uefa.
Letzteres irritiert, sind doch in allen grösseren Schweizer Stadien Mehrwegbecher-Systeme eingebaut. Dazu nochmals das Basler Wirtschaftsdepartement: «Bei den Aludosen im Stadion handelt es sich um einen Pilotversuch der Uefa. In der Testphase sollen Erfahrungen gesammelt werden.»
Wenig Verständnis für diese Argumentation hat die Basler Kantonsparlamentarierin Jo Vergeat (Grüne). Der Kanton habe die Mehrwegregeln eingeführt, um die vom Volk beschlossenen Klimaziele zu erreichen. «Hier wird nun sogar ein bereits bestehendes Mehrwegsystem ausgehebelt, das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen», sagt Vergeat, «zumal ich den Eindruck habe, dass ein kleinerer Veranstalter als die Uefa damit nicht durchgekommen wäre».
Kurzzeitig waren auch Flaschen erlaubt
Ob es Schweizer Fussballclubs künftig gestattet würde, auf den Verkauf von Aludosen umzustellen, ist eine offene Frage. Klar scheint jedoch, dass sich die Uefa mit ihrem Wunsch, Aludosen zu verkaufen, bei den Schweizer Behörden durchgesetzt hat.
Und auch sonst werden bei der Women's EURO bislang für in Stein gemeisselt gehaltene Regeln für Fussballstadien plötzlich flexibel interpretiert. Potenzielle Wurfgegenstände sind in Stadien standardmässig verboten. Einen Tag vor dem Eröffnungsspiel am 1. Juli teilte die Uefa allerdings mit, dass wegen der Hitze für die ersten beiden Spiele Plastik- und Aluminiumflaschen erlaubt sind. Eine kurzfristige Anpassung der Stadionordnung, die ein Fussballclub, der an einem von der Uefa organisierten Wettbewerb teilnimmt, sich wohl kaum hätte erlauben können.